Unter dem Vampirmond 04 - Schicksal
er hier wohnte, und mir wurde flau im Magen. Ich hatte nicht mehr mit ihm gesprochen, seit ich das Foto von Milo und mir gefunden hatte. Und ich dachte an Bobbys Mutmaßungen über Leif als möglichen Täter.
» Das ist ein dummer Name«, sagte Daisy.
» Da hast du recht. Also, dann lass ich dich mal weitermalen«, sagte ich, und sie nickte nur.
Die Höhle sah schon viel wohnlicher aus, innerhalb der Grenzen einer Kanalisation, versteht sich. Mae hatte überall farbenfrohe Vorhänge aufgehängt, um den Raum zu unterteilen und die Wände abzudecken. In einer Ecke stapelten sich Daisys Spielsachen und Malbücher. Drei Matratzen waren dazugekommen und an verschiedenen Plätzen verteilt worden. Und auf der, die dem Abgrund am nächsten war, lag Peter und las in einem Buch.
» Hi, Peter!« Ich ging zu ihm und legte die Handtücher neben seiner Matratze ab. » Ich habe euch Handtücher gebracht.«
» Oh, danke.« Er legte sein Buch beiseite und setzte sich auf. » Mae dachte, du hättest sie nicht verstanden, und ist schnell zum Einkaufen gegangen.«
» Warum hat sie nicht dich geschickt?«, fragte ich.
» Wahrscheinlich habe ich letztes Mal zu viel vergessen.«
» Verstehe.« Ich sah mich in der Höhle um. » Ihr habt es euch hier wirklich hübsch gemacht.«
» Es ist jetzt erträglicher, glaube ich«, sagte Peter schulterzuckend. » Ich habe den ganzen Tag nach einem passenden Ort für uns gesucht.«
» Und? Warst du erfolgreich?«, fragte ich und setzte mich neben ihn auf die Matratze.
» Noch nicht. Aber bald finden wir etwas.«
» Das ist …« Ich schlang meine Arme um die Knie. Ich wusste nicht, wie ich meinen Satz vollenden sollte. Zu sagen, dass es gut war, wenn er bald fortging, schien mir nicht richtig. » Warum willst du mit ihnen gehen?« Er sah mich fragend an. » Ich meine, du kannst doch überall hingehen. Warum willst du lieber bei ihnen bleiben, anstatt irgendwo anders hinzugehen?«
» Das klingt vielleicht überraschend, aber ich möchte nicht alleine auf der Welt herumreisen«, antwortete Peter. » Mae und ich waren uns nie so nahe, wie etwa sie und Jack es sich waren, aber ich mochte sie immer sehr. Ich möchte dafür sorgen, dass es ihr und Daisy gut geht. Und ich tue das auch für Ezra«, fuhr Peter fort. » Mae und ich schulden Ezra so viel. Er war für uns immer wie ein Fels in der Brandung.« Seine Stimme wurde leiser, und er schien an all das zu denken, was sie zusammen erlebt hatten. » Aber in dieser Sache kann er Mae nicht helfen, und ich weiß, wie sehr er darunter leidet. Also begleite ich sie und kümmere mich um sie, weil er es nicht kann.«
» Wie geht es Daisy? Ist sie hier brav?«, fragte ich.
» Nicht wirklich.« Er warf einen Blick zur Tür, wo Daisy gerade das Titellied der Sesamstraße sang. » Sie wacht ständig auf und schreit, weil sie solche Schmerzen hat.«
» Schmerzen?«, fragte ich. » Ihre Verwandlung ist doch schon längst abgeschlossen. Sie sollte keine Schmerzen mehr haben.«
» Die Schmerzen kommen nicht davon.« Er schüttelte den Kopf. » Sie quält oft ein unerträglicher Hunger. Ein Kind ist wirklich nicht dafür geeignet, zum Vampir zu werden.«
» Meine Güte!« Ich schluckte und lauschte Daisys Gesang. » Wie verkraftet Mae das alles?«
» Ich weiß es nicht«, seufzte Peter. » Ich glaube, ihr wird erst jetzt richtig klar, was sie Daisy angetan hat. Bis jetzt hat sie es immer damit gerechtfertigt, dass sie Daisy das Leben gerettet hat und dass das Leben als Vampir immer noch besser ist als der Tod. Aber jetzt, wo sie Daisy so leiden sieht, hat sie daran, glaube ich, selbst manchmal Zweifel.«
» Das tut mir leid«, sagte ich, weil ich nicht wusste, was ich sonst hätte sagen sollen.
» Aber nicht alles, was Daisy betrifft, ist schrecklich«, sagte er. » Einige Dinge sind einfach nur merkwürdig. Sie geht ständig auf Rattenjagd, wenn wir nicht aufpassen.« Er zog seine Augenbrauen hoch. » Und sie isst Kakerlaken.«
» Was?«
» Daisy fängt sie und steckt sie sich, wie sie sind, in den Mund. Kurz darauf wird ihr schlecht, und sie erbricht sich, weil sie keine Insekten verdauen kann. Deshalb brauchen wir auch die Handtücher.« Er fuhr sich mit der Hand durchs Haar und seufzte. » Mit den Kakerlaken erbricht sie auch Blut, weshalb wir sie zwei- oder dreimal täglich füttern müssen, um ihren Hunger und ihre Schmerzen auf einem erträglichen Niveau zu halten. Wir haben den ganzen Tag nur mit Blut zu tun.«
» Das tut mir wirklich leid«,
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