Unter dem Vampirmond 04 - Schicksal
sagte ich noch einmal.
» Nun, erfreulich ist, dass sie das französische Alphabet gelernt hat«, sagte Peter.
» Was? Wozu das denn?«
» Mae glaubt, das sei gut für ihr Gehirn.« Er zuckte mit den Schultern. » Daisy ist ziemlich clever. Sie ist nur … unkontrollierbar und besessen von ihrer Blutgier.«
» Na, da wird es euch nicht langweilig.«
» Was ist mit dir?« Peter wandte sich zu mir und seine grünen Augen schienen wie immer durch mich hindurch zu starren. » Wie läuft es bei dir so?«
» Prima«, log ich. Denn ich konnte ihm unmöglich von den Problemen zwischen Jack und mir erzählen, zumal die beiden gerade dabei waren, ihr Verhältnis zueinander zu verbessern. » Ich habe viel trainiert und bin ziemlich stark geworden.«
» Gut.« Er lächelte, was ein seltsames Gefühl in mir hervorrief. Peter lächelte so selten, dass es beinahe etwas Magisches an sich hatte, wenn er es tat, ungefähr wie eine Sternschnuppe. » Eine Sorge weniger, über die ich mir Gedanken machen muss.«
» Was für eine?« Den Kopf auf meine Knie gestützt, sah ich ihn fragend an.
» Die Sorge um dich.« Er wandte sich ab und stocherte mit einem Stein auf dem Betonboden herum. » Ich werde mir sicher auch weiterhin noch Sorgen um dich machen, aber zumindest weiß ich, dass du auf dich aufpassen kannst.«
Er warf den Stein in den Abgrund hinunter. Wir horchten vergeblich auf den Aufprall.
» Wie tief, glaubst du, geht es da hinunter?« Ich beugte mich vor, um über die Kante zu sehen.
» Keine Ahnung. Aber wenn Mae fragt, ist es nicht sehr tief«, sagte er. » Sie macht sich Sorgen, Daisy könnte in den Tod stürzen, aber ich glaube nicht, dass sie so dumm ist, einen Abgrund hinunterzuspringen.« Er neigte den Kopf. » Andererseits isst sie Kakerlaken …«
» So schlimm wäre es auch nicht, wenn sie dort hinunterfiele, oder?«, flüsterte ich und bereute sofort, das laut ausgesprochen zu haben. Ich konnte sie im Tunnel singen hören, ein kleines Mädchen, das mit Kreide malte. » Vergiss, was ich eben gesagt habe. Ich habe es nicht so gemeint.«
» Weißt du, was das Schlimmste ist?«, fragte Peter, den Blick noch immer auf den Abgrund gerichtet. » Sie wächst einem ans Herz. Ich weiß, sie ist ein schreckliches Geschöpf, und sie wird Menschen verletzen und unzählige hilflose Kakerlaken töten. Aber … sie hat gestern Nacht eine Stunde damit verbracht, Maes Haar zu flechten, und wenn sie sich konzentriert, verzieht sie ihr kleines Gesicht und streckt die Zunge seitlich aus dem Mund.« Er sah zu mir herüber und lächelte, und als ich nichts erwiderte, schüttelte er den Kopf.
» Ich weiß nicht«, sagte er. » Du müsstest es wahrscheinlich selbst erleben, um es zu verstehen.«
» Wahrscheinlich.«
» Ich hatte nie Kinder«, fuhr Peter etwas unvermittelt fort. » Ezra schon und Mae natürlich auch. Ich kann mich nicht erinnern, ob ich überhaupt Kinder haben wollte.« Er runzelte die Stirn. » Seit ich zum Vampir geworden bin, habe ich darüber nie nachgedacht. Ich habe es verdrängt.« Er seufzte. » Genauso wie ich versucht habe, dich aus meinen Gedanken zu verdrängen. Ich glaube, ich bin nicht wirklich gut darin, Dinge zu verdrängen.«
» Ich bin froh darüber«, sagte ich ihm leise, und er sah mir auf eine Weise in die Augen, die mir früher den Atem geraubt hätte. Und das tat es auch jetzt noch ein wenig, aber ich versuchte, es mir nicht anmerken zu lassen.
» Ich bleibe auch wegen ihr bei ihnen.« Er sah mich weiter an, doch ich wusste, dass er Daisy gemeint hatte. » Und ich bin nicht vollkommen unglücklich. Ich möchte, dass du das weißt. Die Dinge sind nicht so, wie ich sie mir gewünscht hätte, aber … Ich bin froh, dass ich Mae helfen kann, Daisy zu erziehen, auf meine eigene verdrehte Art.«
» Gut.« Ich schluckte. Seine Worte machten mich gleichzeitig traurig und froh.
Lange Zeit hatte ich befürchtet, Peter würde nie wieder glücklich werden. Nicht weil ich mich für so fantastisch hielt, dass ich glaubte, er könne ohne mich nicht glücklich sein, sondern weil ich befürchtete, dass er sich vor dem Glücklichsein verschließen würde, weil er zu oft verletzt worden war – auch von mir.
Doch dem war nicht so. Auf seine eigene Weise hatte auch Peter sein Glück gefunden, obwohl ich mich gegen ihn entschieden hatte.
» Dann trainierst du also, hm?« Peter wandte seinen Blick von mir ab. » Was heißt das genau?«
» Hauptsächlich Kampftraining.« Ich rieb meine Arme und
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