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Unter den Linden Nummer Eins

Unter den Linden Nummer Eins

Titel: Unter den Linden Nummer Eins Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jürgen Ebertowski
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Großreeder saß neben einem Koch, ein Bankier neben einem Zimmermädchen.
    Karl fand sich neben Küchenchef Fliegenwald wieder. »Ich hoffe, dir brennt nichts an, Heribert!«
    »Mach keine Scherze, Karl! Ich hab tatsächlich was im Ofen. Zwei Pasteten, für den jour fixe , na, du weißt ja!«
    Jeden Mittwochabend lud Ribbentrop Diplomaten, Politiker und gelegentlich auch ausländische Prominente ins Adlon -Restaurant ein.
    Karl entdeckte Holtsen und Randhuber in einer Ecke. Sie unterhielten sich angeregt. Randhuber rauchte, was eigentlich verboten war. Stanner, der Bunkerwart, ein Arbeiter aus der Hausdruckerei und einer von Kassners Anhängern, übersah geflissentlich die glimmende Zigarette. Randhuber trug neuerdings die Uniform eines SS-Obersturmbannführers.
    Fliegenwald sagte leise: »Wenn ich Schwede wäre, würde ich mich jetzt nicht in Berlin rumtreiben. Er und Randhuber sind heute übrigens beim jour fixe auch dabei. Das heißt, die letzte Flasche Aquavit von Obier geht drauf.«
    »Dafür gibt es kübelweise geharzten Wein aus Griechenland.«
    Fliegenwald schnitt eine Grimasse. »Haste mal versucht, Huhn in Retsina zuzubereiten? Ich ja – schmeckt wie Gockel in Terpentin!«
    Burmeister, gefolgt von zwei Gestapo-Leuten, verschwand im Treppenschacht, der zur untersten Bunkeretage führte.
    »Was ist da eigentlich?« flüsterte Fliegenwald.
    »Dort sind die Notausgänge. Als sie den Bunker fertiggestellt haben, war ich einmal mit Burmeister drin. Es sind mehrere unterteilte Räume wie hier, nur etwas niedriger. Ich schätze mal, daß es auch Verbindungstunnels zu den anderen Bunkern hier in der Gegend gibt.«
    »Du meinst, bis zur Reichskanzlei?«
    »Wer weiß! Umsonst bewachen sie das Untergeschoß nicht, als ob es der Goldkeller der Reichsbank wäre.«
    Fliegenwald nickte. »Wenn die Essen kriegen, müssen die Lehrlinge die Töpfe auf der obersten Treppenstufe abstellen. Einer von Burmeisters Leuten trägt sie dann nach unten.«
    Das Telefon auf Stanners Tisch klingelte. »Hier Adlon -Bunker, Bunkerwart Stanner.« Er nickte in den Hörer und nahm militärische Haltung an, sagte »Jawohl, Herr Major« und legte auf.
    »Das war eben die Entwarnung, meine Herrschaften. Sie können ins Hotel zurück.«

4.
    E IN A DMIRAL, EIN G ROSSMUFTI UND EIN B ARON BEGEBEN SICH UNTER DEM P ARISER P LATZ IN K LAUSUR
    Wallensteins Heerlager nannten die Kellner das Restaurant. Eine Gruppe hochdekorierter Jagdflieger war auf Fronturlaub. Sie hatten für die beiden beleibten SA-Führer, die mit ihren Freundinnen am Nachbartisch tafelten, nur verächtliche Blicke übrig. Hedda und Louis Adlon unterhielten sich mit Wilhelm Furtwängler und Professor Sauerbruch. Etwas später gesellten sich noch Gustaf Gründgens und Elisabeth Flickenschild zu ihnen.
    Eine japanische Militärdelegation stimmte zu Ehren ihres Gastgebers vom OKW, eines Generals der Luftwaffe, ein deutsches Volkslied an, sang mit getragenen Stimmen. Von den Japanern sprach nur ein Hauptmann verständliches Deutsch, aber alle konnten den Text – und zwar alle Strophen! Ein Abteilungsleiter aus dem Propagandaministerium, der mit Bernardo Mattezze und anderen italienischen Korrespondentenkollegen eine Pressekonferenz vorbereiten wollte, schaute pausenlos entrüstet zu den Japanern hinüber.
    Holtsen hatte Karl und Emil Klempert zum Essen eingeladen. Sie saßen am Tisch hinter den Söhnen Nippons. Karl bemerkte, wie ein Lächeln über das Gesicht des Luftwaffengenerals flog, als er auf den erbosten Zivilisten mit dem goldenen Parteiabzeichen aufmerksam wurde. Seine und Karls Augen trafen sich. Irrte Karl, oder hatte der General ihm zugezwinkert? Die Japaner sangen die letzte Strophe der Lorelei und tranken dann auf das Wohl von »Leichsukanzurer undo Fireru Adorufu Hitureru, Shigu Hairu!«
    »Sehr sangesfreudige Samurai haben Sie als Gäste.« Holtsen grinste. »Die könnten glatt im Oriental auftreten, ohne daß die gestrengen Zensoren eingreifen würden. – Was bietet eigentlich ein Nachtklub in diesen Tagen, wo ich gehört habe, daß die meisten Künstler zur Truppenbetreuung eingesetzt sind?«
    »Das Oriental existiert weiterhin, aber das Programm läuft auf Sparflamme«, sagte Karl.
    »Musikveranstaltungen machen wir hier auch noch«, sagte Klempert, »aber natürlich ohne Tanz. Mehr Klassik und ernste Musik.«
    »Wagner?«
    »Ja«, sagte Klempert. » Überwiegend Wagner.«
    Zwei Marineoffiziere betraten das Restaurant. Ihnen folgte Admiral Canaris. Louis Adlon

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