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Unter den Linden Nummer Eins

Unter den Linden Nummer Eins

Titel: Unter den Linden Nummer Eins Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jürgen Ebertowski
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Neapel, die direkt der Abwehr untersteht. Ein Dornier-Flugboot kann sogar bei ziemlichem Wellengang noch wassern. – Auch vor Malta.«
    Ein Ordonnanzoffizier betrat das Café.
    »Das ist mein Fahrer. Meine Maschine geht in einer Stunde von Tempelhof – falls uns die Amis nicht beehren.«
    Karl begleitete den Freund zum Wagen. Er winkte ihm nach. Als er durch das Brandenburger Tor fuhr, heulten die Sirenen.

6.
    E IN DUBIOSER S CHUTZRAUM UND ZWEI PLATTE R EIFEN AM › JOUR FIXE ‹ DES R EICHSAUSSENMINISTERS
    »Mein Vater hat wirklich große Voraussicht bewiesen, als er das Haus mit eigenen Generatoren ausgestattet hat.« Louis Adlon betastete die Holzverschalung der Schutzmauer. »Ich traf vorhin den Direktor vom Kempinski . Nach dem letzten Angriff war der Kurfürstendamm für acht Stunden ohne Strom. Sie haben sich, so gut es ging, mit Kerzen beholfen.«
    Ein Dutzend Arbeiter war damit beschäftigt, eine zentimeterdicke Stahltür einzupassen.
    Louis Adlon trat durch die mannshohe Öffnung in die Vorhalle.
    Karl folgte dem Generaldirektor. »So viele Kerzen, wie wir brauchen würden, um die Halle vierundzwanzig Stunden lang zu beleuchten, könnte man in Berlin nicht mehr auftreiben, von der Bar und dem Restaurant mal ganz abgesehen. – Der Schutzraum im Weinkeller ist übrigens gestern fertig geworden.«
    »Bunker, Betonmauer, Schutzraum«, knurrte Louis Adlon. »Fehlt bloß noch, daß sie uns eine Flakbatterie aufs Dach setzen.«
    Klempert kam auf sie zu. »Der Sekretär vom Herrn Reichsaußenminister ist am Apparat und läßt anfragen, ob der jour fixe wegen der Bauarbeiten wie gewöhnlich stattfinden kann.«
    »Ja. Vor dem Restaurant steht die Mauer bereits. Ich sehe also keinen Grund, warum nicht.«
    Klempert eilte zur Rezeption zurück.
    »Mein Gott«, sagte Louis Adlon. »Heute ist ja wieder Ribbentrop-Mittwoch. Ich habe das Gefühl, Meunier, die Zeit rast nur noch so dahin.«
    »Ich empfinde es umgekehrt. Besonders jetzt im Winter. Kaum wird es hell, schon ist Sonnenuntergang und Verdunklung angesagt.«
    »Wahrscheinlich eine Frage des Alters, dieses unterschiedliche Zeitgefühl, aber lassen wir das Philosophieren. Ich will mir ansehen, wie der Weinkeller verschandelt worden ist.«
    »Es hält sich in Grenzen«, sagte Karl. »Der Schutzraum ist nicht sehr groß. Obier hat übrigens einen Teil der italienischen Rotweine im Küchenvorratslager untergebracht.«
    Durch die Regalreihen mit den Moselweinen konnten Karl und der Generaldirektor beobachten, wie zwei Gestapoleute den Eingang des Schutzraums verriegelten. Sie entfernten sich, laut mit einem Schlüsselbund rasselnd, in Richtung Küchentrakt.
    Der Schutzraum war rechtwinklig in die Nordecke des Kellers gesetzt. Karl schätzte die Fläche auf weniger als zwanzig Quadratmeter. Eine schwache Glühbirne beleuchtete die Tür: Zutritt nur mit Berechtigungsausweis.
    »Was soll der Mist?« sagte Louis Adlon.
    Karl zog eine Taschenlampe hervor. Die beiden grauen Betonmauern glänzten feucht. Er hob das Vorhängeschloß an. In das Metall waren eine sechsstellige Nummer und zwei Buchstabenreihen eingestanzt. Karl beleuchtete das Schloß: » Materialstelle Reichssicherheitshauptamt . – Was immer hinter den Mauern sein mag, als Personenschutzraum ist das nicht gebaut worden, sonst wäre das Schloß von der Materialstelle Organisation Todt .«
    »Der Hauptabwasserkanal vom Pariser Platz läuft an der Außenmauer des Weinkellers entlang«, sagte Louis Adlon.
    Karl knipste die Taschenlampe aus. »Also ein Fluchtweg für Ratten, denn es gibt keine Schutzräume ohne Notausgang.«
    Louis Adlon zuckte resigniert mit den Achseln. »Uns werden sie es bestimmt nicht verraten, wohin der Notausgang letztlich führt.«
    Karl bekam es dennoch heraus.
    Ein Hausarbeiter hatte früher bei den Wasserwerken gearbeitet. Jetzt war er für die Pumpe und den Tiefbrunnen vom Adlon verantwortlich.
    »In einijen vonnen Kanälen sind wa mit Kähnen rumjeschippert. Wenn sich da eener auskennt, steigt er am Alex ein und kommt am Belle-Alliance-Platz wieder nach oben. Inner Röhre unterm Pariser Platz kann man locker uffrecht stehn.«
    Das Telefon klingelte. Der Arbeiter nahm ab. »Ja, er ist hier, soll ich? … Nein? … Jut, denn richt ick’s ihm aus!« Er hängte ein.
    »Det war der Herr Klempert. Sie möchten zu ihm hoch.«
    Ribbentrops Diplomatenrunde war zur angesetzten Stunde noch lange nicht vollzählig. Die meisten Botschaften hatten sich in den weniger bombengefährdeten Vororten

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