Unter den Sternen des Südens: Australien-Saga (German Edition)
Die Arbeit mit den Schafen machte ihr wieder einmal bewusst, dass sie dringend einen Treibhund brauchte. Die Suche nach einem gut ausgebildeten jungen Hirtenhund stand ganz oben auf ihrer Liste.
Nach zwei Tagen Schur und drei Tagen Trächtigkeitskontrolle spürte Amanda Muskeln in ihrem Körper, von deren Existenz sie bisher nichts geahnt hatte. Ihre Oberschenkel schmerzten bei der kleinsten Bewegung, was von der Akkordarbeit in der Scheune kam und vom Zusammenpressen der Beine, um mit den Knien die Schafe anzuschubsen. Amanda merkte nun, dass sie doch nicht so fit war, wie sie gedacht hatte. Sie erkannte, dass die Leitung der Farm und die harte körperliche Arbeit ihr viel mehr abverlangten, als sie sich vorgestellt hatte.
Aber am unangenehmsten war die Auseinandersetzung mit Slay gewesen, die ihr noch immer im Kopf herumspukte. Er hatte ihr zum Abschied voller Wut gedroht. Seine Drohung hatte Amanda beunruhigt, aber sie war sich sicher, er würde darüber hinwegkommen. Slay war nicht der erste Scherer, der auf Kyleena Hausverbot hatte, und er würde auch sicher nicht der letzte sein. Im Großen und Ganzen war Amanda zufrieden damit, wie die Woche gelaufen war. Insgesamt hatte es fast einen Monat gedauert, um an diesen Punkt zu kommen, aber das Ergebnis konnte sich sehen lassen. Die Schafe waren gezählt und erfasst. Sie hatte die Herden sortiert nach ihrer Zuchtplanung. Und die beim Decken vermeintlich vergessenen Schafe waren trächtig! Amanda freute sich so sehr, als Louise nicht einmal »Nein« sagte, während sie die ersten zwanzig Schafe untersuchte. Sie würde mehr Lämmer haben, als ursprünglich kalkuliert.
Plötzlich knarrten die Holzdielen der Veranda, und Amanda nahm wahr, dass ihr Vater sich neben sie setzte und auf das grüne Weideland in der Abenddämmerung hinausblickte. Wie Amanda hielt er ein Bier in der Hand, aber in der anderen zudem einen Whisky. Sie beobachtete ihn heimlich aus dem Augenwinkel.
Seit Brian die Abtretung vor einem Monat unterzeichnet hatte, war er auffällig oft abwesend. Das hieß, körperlich war er anwesend. Amanda hörte immer leise das Radio spielen in seinem Büro, wenn er an seinem Schreibtisch saß, die Brille auf der Nasenspitze, und so tat, als würde er irgendwelche Unterlagen studieren, obwohl er in Wahrheit nur vor sich hin starrte, verloren in Erinnerungen, das Whiskyglas immer in Reichweite.
Nachts hörte sie ihn im Bad oder durch das Haus wandern. Es fiel ihm schwer, Schlaf zu finden, während Amanda jeden Abend völlig erschöpft ins Bett fiel.
Seit einer Woche ließ sich Brian jedoch wieder etwas öfter blicken, und Amanda bemerkte erste Zeichen der Annäherung. So saß er häufig in der Küche, wenn Amanda Mittagspause machte, oder im Wohnzimmer vor den Nachrichten, wenn sie abends von der Arbeit zurückkehrte. Er redete auch wieder mehr mit ihr.
Das Gespräch vom Abend zuvor war Amanda noch deutlich in Erinnerung. Sie hatte geahnt, dass Brian etwas mit ihr zu besprechen hatte, als er in die Küche kam, wo sie das Abendessen zubereitete. Auch wenn sie abends vor Müdigkeit kaum mehr stehen konnte, wusste Amanda, dass sie ordentlich essen musste, weshalb sie sich fast jeden Abend die Mühe machte und kochte. Am Tag zuvor hatte sie sich allerdings nicht dazu aufraffen können. Sie hatte kurz den Kopf ins Wohnzimmer gesteckt und angekündigt, dass es Baked Beans auf Toast gab. Ihr Vater hatte ihr ein kurzes Lächeln geschenkt und geantwortet, dass ihm das recht sei, bevor er sich wieder den Nachrichten zuwandte.
Unerwartet war er dann in der Küche aufgetaucht, bevor sie ihn rief, und hatte sich an den Tisch gesetzt. Amanda hatte bemerkt, dass er die Wand hinter ihr betrachtete, die einmal cremeweiß gewesen war. Jetzt war sie über dem Herd fleckig gelb von den ganzen Fettspritzern in den letzten Monaten. Sie wusste, dass ihr Vater daran dachte, wie Helena früher immer die Wand geschrubbt hatte. Sie hatte sich immer eine Dunstabzugshaube für die Küche gewünscht, aber ihr Wunsch war nie erfüllt worden. Amanda hatte keine Zeit, die Küchenwände zu schrubben.
Ihr Vater stieß ein Räuspern aus und begann mit unsicherer Stimme. »Ich wollte mit dir über das Grab sprechen. Wir müssen einen Grabstein aufstellen.«
»Ja, Dad, aber erst in einem Jahr. Ich war wenige Tage nach der Beerdigung am Grab. Mir gefällt es auch nicht, dass sie dort so anonym liegt, ohne dass die Leute wissen, wer dort begraben ist. Aber die Erde muss sich wohl erst richtig
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