Unter den Sternen des Südens: Australien-Saga (German Edition)
das Land, baute Hafer und Weizen an und versuchte, seine Wollerträge zu steigern. Grace trug zur finanziellen Unterstützung bei, indem sie die üppigen Erträge ihres Gemüsegartens – Blumenkohl, Kartoffeln und Weißkohl – auf dem Hof verkaufte.
Sie hob Diane über den Zaun in den Garten und stieg anschließend selbst darüber. Diane sauste zu ihrem Lieblingsplatz im Schatten eines großen Pflaumenbaums und kletterte auf die Schaukel, die Michael dort aufgehängt hatte, damit sie beschäftigt war, während Grace im Garten arbeitete.
»Oooh, Mami, sieh mal.« Diane deutete auf einen Ohrwurm, der am Baumstamm nach oben krabbelte.
»Nicht anfassen, Di. Der kneift dich sonst«, sagte Grace.
»Neift.« Diane versuchte, das neue Wort nachzuplappern, und klatschte dann lachend in die Hände. Grace konnte trotz ihrer Erschöpfung nicht anders, als auch zu lachen.
»Schlaues Mädchen! Du sprichst deiner Mami nach.« Sie wandte ihre Aufmerksamkeit wieder dem Brokkoli zu und untersuchte die Blätter nach Läusen. Sie musste alle befallenen Blätter abrupfen, bevor die Läuse die Blütenköpfe erreichten, die sich gerade bildeten.
Eine Stunde später zeigte Diane erste Zeichen von Ermüdung, und Grace tat der Rücken weh. Also hob sie die Kleine wieder über den Zaun und nahm sie an die Hand, während sie in die Wohnung zurückgingen. Sie hörte Michael in der Werkstatt hämmern und fand es seltsam, dass er nicht Bescheid gesagt hatte, dass er vom Feld zurück war. Wahrscheinlich muss er dringend etwas reparieren, dachte sie, als sie und Diane das kleine Kinderzimmer betraten.
Dianes Bettchen stand an der Wand unter einem Moskitonetz. Grace hatte in diesem Jahr bereits zwei Schlangen im Kinderzimmer erschlagen. Seitdem hatte sie sich angewöhnt, im Zimmer zu sitzen, wenn Diane schlief, aus Angst, eine Schlange könnte in ihr Bett kriechen, ohne dass Grace es mitbekam. Vor einem Jahr erst hatten die Porters ihr Kind durch einen tödlichen Schlangenbiss verloren. Michaels Hund Bowy hatte dasselbe Schicksal ereilt, nicht lange nachdem sie in die neue Scheune umgezogen waren.
Als Grace die Kleine hinlegen wollte, klammerte sie sich an der Schulter ihrer Mutter fest. »Mami, nein, nicht!«
»Schsch, mein Juwel. Es ist Zeit zu schlafen. Soll ich dir ein Lied vorsingen?«
»Lied! Lied!« Diane ließ ihre Schulter los und ließ sich ins Bettchen legen, während Grace mit einer lieblichen, klaren Stimme zu singen begann und ihrer Tochter sanft über die Haare strich. Wenige Minuten später war Diane eingeschlummert.
Grace blickte zärtlich auf dieses wunderbare kleine Wesen mit den dunklen Locken, die in die Stirn fielen, und den schwarzen Wimpern, die im Schlaf das Jochbein kitzelten. Mit ihren zwei Jahren war Diane ein lebhaftes Kind, das ihre Mami und ihren Daddy abgöttisch liebte. Tagsüber war sie immer dabei und half Grace, Unkraut zu rupfen, oder sie saß auf dem Traktor neben Michael.
Ihr Watschelgang brachte Michael zum Lachen, und wenn er abends zur Tür hereinkam, jauchzte Diane vor Freude und trippelte mit ausgebreiteten Armen auf ihn zu.
Was für ein Glück, dachte Grace. Glück, dass Edward in der Nähe gewesen war, als Charles über sie herfiel. Glück, dass ihre und Michaels Eltern beschlossen hatten, sie nach Australien zu schicken. Und erst recht hatte sie großes Glück mit ihrem liebevollen und großzügigen Ehemann. In ihrem Schaukelstuhl betrachtete sie Diane im Schlaf und spürte, wie ihr selbst die Augen zufielen.
Währenddessen schärfte Michael seine Axt in der Werkstatt. Das Geräusch des Metalls auf dem Schleifstein lenkte ihn ab von dem Gerücht, das ihm zu Ohren gekommen war.
Offenbar hatte Frank O’Connor seine Stelle bei der Bank gekündigt und wollte aus Esperance wegziehen. Michael betrübte diese Nachricht sehr, da er Frank mittlerweile als Freund und Vertrauten schätzte. Er wusste, dass er Frank vermissen würde. Darüber hinaus machte er sich Sorgen um Grace. Sie sah in letzter Zeit schlecht aus – das Funkeln in ihren Augen war erloschen, und sie war ständig müde. Michael hoffte, dass eine Schwangerschaft der Grund für ihr blasses, erschöpftes Gesicht war. Er konnte sich ein Leben ohne Grace nicht mehr vorstellen.
Er hielt den Schleifstein an, prüfte die Axtklinge und befand, dass sie scharf genug war. Schließlich lehnte er die Axt gegen die Tür und ging hinüber in den Wohnbereich, um eine Pause zu machen und etwas Tee zu trinken.
Die Stille in der Küche
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