Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Unter den Sternen von Rio

Unter den Sternen von Rio

Titel: Unter den Sternen von Rio Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ana Veloso
Vom Netzwerk:
Auswahl hätte kritisieren dürfen?
    Die Perückenmacherin verpackte das Haarteil und gab es Augusto anstandslos mit, nachdem er um das Zusenden der Rechnung gebeten hatte. Beim Verlassen des Ateliers kam ihm ein Mann entgegen, der verschämt zu Boden blickte. Augusto unterhielt sich den halben Rückweg lang mit der albernen Vorstellung, wie der Mann mit der roten Lockenmähne aussehen würde.
    Als er am Polizeipräsidium vorbeifuhr und einen Blick auf die Uhr an dem Gebäude warf, stellte er fest, dass der Zeiger schon fast auf der Zwölf stand. Da im Studio allen ihre Mittagspause heilig war, brauchte er sich also nicht besonders zu beeilen. Außerdem konnte er ja behaupten, er hätte noch länger warten müssen. Er hatte Zeit genug, um sich selber eine Pause und eine Mahlzeit zu gönnen.
    Er ging in ein einfaches Lokal, das einen günstigen Mittagstisch anbot und von dessen Terrasse aus man einen schönen Blick auf die Passanten sowie ein nahe gelegenes Luxus-Restaurant genießen konnte. Er bestellte sich gebratenes Huhn mit Reis und
creme de milho,
Maisbrei, dazu ein Bier. Während er auf sein Essen wartete, beobachtete er gut gelaunt das Treiben auf der Straße. Um die Mittagszeit herum wurde es immer sehr voll, weil all die Menschen aus ihren Büros ins Freie stürzten und die Lokale heimsuchten. Er hatte Glück gehabt, noch einen freien Tisch zu bekommen, denn inzwischen hatte sich vor seinem Restaurant schon eine Schlange gebildet. Es handelte sich überwiegend um Leute in weniger gut bezahlten Positionen, unschwer an der Hautfarbe und an der billigen Kleidung zu erkennen. Gegenüber war das Publikum ein völlig anderes. Er beobachtete eine junge Frau, die ihn entfernt an Bel erinnerte, außer dass sie weiß war und gekleidet wie eine feine Dame. Sie stand unentschlossen vor dem Lokal und studierte die Karte, die außen befestigt war. Sie warf einen Blick auf ihre Uhr, zündete sich eine Zigarette an, trippelte von einem Fuß auf den anderen, wühlte in ihrer Handtasche, las erneut die Speisekarte, warf die halbgerauchte Zigarette auf den Boden, trat sie mit ihren feinen Schuhen aus und zog dann wieder ab.
    War sie verabredet gewesen und versetzt worden? Da hätte sie doch aber sicher länger gewartet, oder? Wusste sie vielleicht nicht, ob sie Hunger hatte oder nicht? Den reichen Weißen war ja alles zuzutrauen. Oder hatte sie nur eine kurze Zigarettenpause gemacht? Er dachte nicht länger darüber nach, denn sein Essen kam jetzt, und er widmete sich ihm mit Hingabe. Er genoss jeden Bissen davon, jeden Schluck seines Biers und jede Sekunde, die er in dem Restaurant saß. Er war notgedrungen ein sehr sparsamer Mensch, und er gönnte es sich nur sehr selten, auswärts zu essen. Meistens nahm er sich etwas mit zur Arbeit. Aber heute war ein so schöner Herbsttag, und die Gelegenheit war günstig gewesen.
    Als er sein Mahl beendet hatte, krönte er seine Verschwendungsorgie, indem er sich noch einen
cafézinho
bestellte, ein winziges Tässchen Kaffee. Ah, das Leben konnte so schön sein! Er streckte die Beine aus und beobachtete wieder die Straße. Ein paar Leute in der Schlange vor seinem Lokal schielten ungeduldig auf seinen Tisch. Es war ihm egal, ob sie länger warten mussten. Er saß hier genauso lange, wie es ihm passte, und sehr lange würde das ohnehin nicht mehr sein. Er musste zurück ins Studio. Er bestellte die Rechnung, und während er darauf wartete, sah er gegenüber eine ganz ähnliche Szene wie zuvor, nur dass es diesmal ein Mann war, der nervös vor dem feinen Restaurant hin und her lief. Auch er zündete sich eine Zigarette an, und er studierte ebenfalls die ausgehängte Speisekarte. Komisch, was hatten sie nur alle, diese reichen Leute? War irgendetwas verkehrt mit dem Speisenangebot in dem Lokal? Oder war der Mann mit der Frau von vorhin verabredet gewesen? Wenn ja, kam er deutlich zu spät, und es geschah ihm ganz recht, dass sie schon fort war. Ach, egal. Es war sowieso viel lustiger, sich solche Geschichten rund um fremde Leute auszudenken, wenn man in Gesellschaft war. Allein machte es keinen richtigen Spaß. Irgendwann würde er Bel einmal hierher ausführen, das Essen war sehr gut gewesen. Oder noch besser, irgendwann würde er sie in das elegante Lokal gegenüber ausführen.
    Augusto bezahlte, schnappte sich das Päckchen mit der Perücke und radelte zurück zum Studio und einer zweifellos bereits sehr wütenden Dona Iolanda.
     
    Caro war enttäuscht, aber nicht sonderlich

Weitere Kostenlose Bücher