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Unter der Hand (German Edition)

Unter der Hand (German Edition)

Titel: Unter der Hand (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dagmar Leupold
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Einkäufe ein, schlinge die Bänder der mit buntem Obst bedruckten Schürze, die mir hübsch Halt verleiht, um Hals und Hüfte.
    In der Sendung geht es um Berner Sennenhunde, ihre Treue, ihren Spürsinn, ihre Zähigkeit – lustig, kaum meldet sich Claudia, schon taucht Bern erneut auf. Solche Zufälle verleihen jedem gestaltlosen Amöben-Leben eine Kontur. Und gleich muss ich an Lotte denken, an ihre Geschichte vom Bernhardiner, der zu Beginn der Flucht irgendwo auf dem Haff erschöpft zusammenbricht, das Fell eisüberzogen, die Pfoten blutig. Das große tote Tier, die braunen Augen weit offen, beschlagen vor Kummer.
    Von dem Hund muss ich Heinrich erzählen, denke ich. Unbedingt. Und schneide unter Tränen weiter dünne Zwiebelringe, die Franz vermutlich noch immer zu dick finden wird.
    Den Rest des Nachmittags verbringe ich mit guten Vorsätzen, zwei Glas Wein – Franz ist wählerisch, und hier bin ich der Mundschenk, muss wissen, wie der Tropfen schmeckt – und Langeweile. Zerdehnte, dürftig verschenkte Zeit, ich zerbrösele, die Langeweile trocknet alles aus, was geschmeidig, gelenkig und froh macht. Ich wandere durch die Räume, schalte hier eine Lampe ein, dort eine aus, wechsle die Handtücher, beziehe das Bett, richte das schiefe Passepartout über der Tuschezeichnung eines alten Olivenbaums, die mir eine befreundete Malerin vor Jahren schenkte. Vor dem einzigen großen Spiegel in der Diele betrachte ich mich von vorn, hinten und der Seite. Danach weiß ich noch immer nicht, wer auf Franz wartet, wen Franz vorfinden wird. Ich wische den Lippenstift nach drei Versuchen ab, mit dem dunklen Mund sah ich aus wie eine halb Verstorbene. Dabei bin ich doch halb lebendig. Der Tisch immerhin ist schön anzusehen mit der heiteren Salatplatte, den Ketchup- und Mayonnaisetuben, den amerikanischen Servietten. Auch die Bierdosen machen sich gut, mehr als Dekoration allerdings, denn der Wein ist nun offen.
    Als Franz vor mir steht, leicht außer Atem von den vier Stockwerken und mit erhitztem Gesicht, bin ich einfach nur froh: Das Leben geht weiter. Auch meins.
    Ich höre gern zu, als Franz mir vom bayrischen Wald erzählt, vom Leiter der Fortbildung – ein Idiot – und von den neuesten Erkenntnissen, die Wirksamkeit der Kranio-Sakral-Therapie betreffend, deren eifriger Verfechter er ist. Energiefluss, Liquorwelle – die schönen Worte wirbeln nur so in meinen Ohren. Ich bitte Franz, nach dem Essen meine harte Hirnhaut (
dura mater
, sagt er) durch sanften Fingerdruck zu entlasten und die angesprochenen seelisch-emotionalen Knoten, die sich vom Schädel bis zum Kreuzbein bilden, in Wohlgefallen aufzulösen. Mach ich, sagt er und kaut, die Sommersprossen bewegen sich mit. Dann greift er nach der amerikanischen Flagge, wischt sich den Mund ab, trinkt in großen Schlucken den Wein aus und meldet im Ton einer Verlautbarung: Ich habe in Regen auch eine nette Kollegin kennengelernt, aus München. Du würdest sie auch mögen. Wir könnten uns alle einmal zum Essen treffen.
    Ich frage nach ihrem Namen, innerlich spüre ich einen kleinen Kältesturz. Bitte keine Veränderungen. Und wenn, dann nur bei mir.
    Nina, sagt Franz, Nina. Alleinerziehende Mutter einer kleinen Tochter, vier, fünf.
    Dann ist sie ja noch ziemlich jung!
    Ich merke zu spät, dass meinem Ausruf etwas Alarmiertes anhaftet.
    Knapp vierzig, schätze ich.
    Franz schenkt uns nach. Dann steht er auf, tritt hinter mich, ich lasse meinen schweren Kopf gegen seine Brust sinken, und er drückt kaum spürbar bestimmte Punkte, nicht fester als beim Morsen. Ich fühle mich uralt, von der Kinderlosigkeit mürbe und faserig geworden, verwittert, weil die Flüssigkeiten fehlen, das Verschwenderische, Warme, Fließende, das die Haut knospen, die Haare glänzen lässt, die Knochen biegsam macht, den Körper schmiegsam. Das Tropische. Hier ist alles karg bemessen, kalt und kalkig – ich möchte in Gegenden wohnen, in denen das Wasser so weich ist, dass auf den Waschmittelpackungen nicht mehr von Härtegrad gesprochen werden muss.
    Zugabe, sage ich, als Franz innehält, hör nicht auf!
    Wir machen im Bett weiter, sagt Franz und beginnt den Tisch abzuräumen. Auf den Tellern kleben die Reste von Ketchup und Mayonnaise wie geronnenes Blut und Eiter. Noch hat sich offensichtlich keiner meiner Knoten gelöst, die Glücksmission und die Kranio-Sakral-Therapie zerschellen an meinen Verhärtungen, an meiner verschwielten Seele.
    Im Schlafzimmer ist es halbdunkel, die

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