Unter der Haut (German Edition)
Engländerin der Mittelklasse und einer Afrikaanderin vom Lande, bei dem Martha zuhört. Martha wird von den Van Rensbergs beeinflusst. Mrs. Van Rensberg ist Alice Larter nachempfunden – aber eine freundliche und mütterliche Frau gleicht der anderen, ganz gleich, aus welcher Kultur sie stammt. Ich kannte Leute wie die Van Rensbergs. Ich begegnete ihnen bei
gymkhanas
und bei Tanzveranstaltungen, wo sie unter sich blieben, große Familien, deren Töchter mit mir auf die Schule gingen, im Kloster wie auf der Highschool.
Kurz gesagt, als ich
Martha Quest
schrieb, tat ich dies als Schriftstellerin und nicht als Chronistin. Aber auch wenn sich der Roman nicht an die faktische Wahrheit hält, so ist darin dennoch die Atmosphäre, das Gefühl der Zeit, genauer getroffen, und somit ist er »wahrer« als diese Erinnerungen, in denen ich versuche, mich an die Tatsachen zu halten.
Martha Quest
und meine afrikanischen Kurzgeschichten geben ein verlässliches Bild des Distrikts, wie er früher war. Das heißt aus dem Blickwinkel einer Weißen. Ich bin einmal einem Mann begegnet, der zu der Zeit, als ich Kind war, als
piccanin
mit seinem Vater und seinen großen Brüdern herumgezogen ist, um auf den Farmen in Banket und Umgebung zu arbeiten. Wir redeten und redeten. Wir gaben uns beide große Mühe. Das, woran er sich am deutlichsten erinnerte, waren die ständigen Ortswechsel, denn die schwarzen Farmarbeiter, entweder in Gruppen unter einem Häuptling oder Clanchef oder in Familienverbänden lebend, zogen dauernd von Farm zu Farm, um bessere Arbeitsbedingungen zu finden oder weil ein älterer Verwandter aus Njassaland gekommen war. Die meisten Arbeitskräfte im Distrikt stammten aus Njassaland. Er hatte den Eindruck, dass die
compounds
auf allen Farmen gleich waren – armselig, hässlich, schlecht gebaut. Er war schon ziemlich betagt und konnte über Dinge lachen, die ihn einst mit Bitterkeit erfüllt hatten. Aber tief in seinem Innern schwelte ein Zorn, der historische Zorn, mit meinen Gefühlen zum Weltkrieg vergleichbar:
»Aber wie konnte es dazu kommen?«
Die Handlung von
Martha Quest
ist simpel. Sie verlebt eine Kindheit im Busch, zankt sich mit ihrer Mutter, wird von den Söhnen der Cohens in die Fragen der Politik eingeführt, liest, flüchtet in die große Stadt nach Salisbury, lernt Stenografie und Schreibmaschine, schmiedet alle möglichen attraktiven Zukunftspläne, lässt sich aber vom Tanzengehen und von anderen Abendvergnügungen ablenken und heiratet schließlich einen passenden jungen Beamten, als schon die Trommeln zum Zweiten Weltkrieg schlagen.
Während meine Mutter von meinen brillanten Zukunftsaussichten redete, lag ich in Tagträume versunken auf meinem Bett oder las Bücher, die ich schon zwanzigmal gelesen hatte, vor allem die einlullenden Mädchenbücher aus Amerika. Ich litt an einem sogenannten leichten Fieber. Gibt es diese Krankheit überhaupt? Ich hatte Tag und Nacht eine um etwa ein Grad erhöhte Temperatur und fühlte mich zu schwach, um aufzustehen; so lag ich da und schaute durch die mit einem Stein offen gehaltene Tür hinaus in den Busch, eine Katze bei mir auf dem Bett und davor auf dem Boden die beiden Hunde, die mich jedes Mal mit flehenden Blicken ansahen und mit dem Schwanz wedelten, wenn es so schien, als wollte ich endlich aufstehen und mit ihnen stundenlang durch den Busch ziehen, wie sie es für ihr gutes Recht hielten. Aus Sinoia kam ein Arzt, nicht einmal, sondern mehrmals. Das war damals eine ziemliche Reise, nicht wie heute eine Fahrt von wenigen Minuten. Meine Mutter erklärte ihm, dass ich leichtes Fieber hätte, und verlangte von ihm, mir Chinin zu verschreiben. Was er denn auch tat. In der Regenzeit nahmen wir ja abends und morgens fünf Gran Chinin, aber jetzt nahm ich immer größere Dosen. Es handelte sich um große, grellrosafarbene Tabletten zu je fünf Gran. Das Chinin hatte nicht die geringste Wirkung auf das Fieber. Mir dröhnten nur die Ohren, dass ich kaum hören konnte. Und in meinem Innern war nichts als eine hell tönende Klarheit, ich war vergiftet, im Chininwahn.
Bald danach begannen wir, nach Salisbury zu einer Gesundbeterin zu reisen, wobei wir wegen der hohen Benzinkosten oft bei anderen Leuten mitfuhren. Diese Gesundbeterin war eine etwa fünfunddreißigjährige, unverheiratete Frau aus England. Mein Vater behauptete, sie sei in den Mann verliebt, der damals den besten Ruf als Gesundbeter genoss, denn sie hatten eine Gemeinschaftspraxis. Er meinte
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