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Unter der Haut (German Edition)

Unter der Haut (German Edition)

Titel: Unter der Haut (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Doris Lessing
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herabgestiegen«, Bürgermeister von Salisbury war. Und dass ein Mann, der für seine liberalen Ansichten in Rassenfragen bekannt war, noch in den siebziger Jahren seinen schwarzen Diener jeden Morgen sieben Meilen in die Stadt radeln ließ, damit er ihm um sechs Uhr seinen Morgentee bereitete, und dass dies etwas ganz Selbstverständliches war. Man muss begreifen, dass die Treffen, die Referate, die Flugblätter von »Race Relations« damals wie Zündstoff waren, auch wenn sie heutzutage jedem, ob Schwarz oder Weiß, furchtbar kläglich erscheinen müssen.
    Der Left Club veranstaltete seinem Namen zum Trotz Abende zu allen möglichen Themen, und manche waren alles andere als »links«, denn es gab nicht mehr genug »Linke« für einen »linken« Vortrag pro Woche. Meist kamen hundert bis zweihundert Zuhörer. Die regelmäßigen Teilnehmer wären allein von ihrer Zahl her geeignet gewesen, auf ein verändertes Denken hinzuwirken, aber sie verloren das Interesse an neuen Ideen, wurden reaktionär oder verbittert und desillusioniert. Bald darauf wurde die Universität gegründet. Sie war von Anfang an engstirnig und provinziell, und die wenigen echten Liberalen haben sich dort immer gegen politische Borniertheit wehren müssen – zuletzt, während ich an dieser Autobiografie schreibe, gegen die »Political Correctness«. Wenn es keinen Kalten Krieg …, doch ein »Wenn« hat keinen Wert, wenn es nicht durch wirkliche Ereignisse an Authentizität gewinnt. Aber vielleicht hätte doch eine Schicht informierter und weltoffener Leute den Krieg in Rhodesien verhindern können, jenen dummen, unnötigen, bitteren und unendlich zerstörerischen Krieg, der zehn Jahre gedauert und eine kommunistische Regierung an die Macht gebracht hat, die für das natürliche Temperament und den Lebensstil der schwarzen Bevölkerung viel zu extrem war. Der Kalte Krieg hat weit mehr als nur die Einstellungen zum Kommunismus und zur Sowjetunion einfrieren lassen, genau wie die Entstehung einer »kommunistischen« Gruppe 1942  – die Anführungszeichen müssen wirklich sein – den Nährboden für alle möglichen nützlichen Gärprozesse bereitet hat.
    Durch die zunehmend vergiftete Atmosphäre des Kalten Krieges suchten und fanden immer mehr Leute Zuflucht in unserer Wohnung. Bei Weitem nicht alle bezeichneten sich als Kommunisten, es waren Menschen mit »fortschrittlichen« Ideen. Ich setze auch das in Anführungszeichen, weil sich später herausstellte, dass viele der damals als fortschrittlich empfundenen Ideen durchaus problematische Folgen hatten. Von nun an bis zu seinem Verlassen der Kolonie im Jahr 1949 verbrachte Gottfried einen noch größeren Teil seiner Zeit mit den Leuten, mit denen er sich auch angefreundet hätte, wäre er als Wirtschaftsberater in einem demokratischen Land tätig gewesen – nämlich mit den Anwälten und Staatsbeamten, mit denen er geschäftlich zu tun hatte und die ihn für das bewunderten, was er für Howe-Ely getan hatte, für die Kanzlei wie für den alten Mann. Sein engster Freund blieb weiterhin Hans Sen, der Katholik, der häufig vorbeikam und die unkonventionelle Geselligkeit unserer Abende genoss. Er war ein hässlicher Mann und, wie er behauptete, ein Frauenfeind. Wir Frauen waren alle liebevoll, um nicht zu sagen zärtlich zu ihm, wie zu einem Kind, das nicht weiß, warum es gerade einen Wutanfall hat. Wenn er mit uns Ausflüge nach Macheke machte, stellte er sich manchmal mitten auf das offene
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und erklärte, dass er dort einen Turm errichten werde, zu dem niemand Zutritt hätte, und dass er Körbe herunterlassen werde, damit wir ihm Bücher, Wein und Lebensmittel hinaufschicken könnten. Würde er nicht unter der Einsamkeit leiden? – neckten wir ihn, und er räumte ein, dass er vielleicht eine von uns Frauen zum Aufräumen kommen lassen werde, mich oder Gottfrieds heiratsfähiges junges Mädchen oder auch jede andere Frau, die zufällig dabei war. Er sagte, dass man als Repräsentant des Roten Kreuzes, der mitbekomme, was sich überall auf der Welt abspiele, zum Menschenverächter werden müsse und dass wir, die menschliche Rasse, es nicht verdienten zu leben. Er sah sich das Baby an, das bei allen im Mittelpunkt stand, legte die Stirn in Falten und sagte, wenn er gewusst hätte, dass die Welt so sei, dann hätte er sich nicht bereit erklärt, geboren zu werden. Athen Gouliamis, der einst als armer Junge in den Straßen von Athen gelebt und viele Geschwister gehabt hatte, setzte sich

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