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Unter der Haut (German Edition)

Unter der Haut (German Edition)

Titel: Unter der Haut (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Doris Lessing
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von den Bettlern, den arbeitslosen Soldaten, die Zündhölzer verkauften, und den dummen jungen Gänsen, die nur tanzten und herumhopsten, ohne sich um die toten Soldaten zu scheren oder um die vielen, die keine Arbeit fanden. Oder er erzählte uns von den guten Zeiten vor dem Krieg, als er zum Pferderennen gegangen war und die Nächte durchgetanzt hatte. Oder er nahm uns mit zu dem Mann, der die
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für die Farm herstellte. An einer flachen Stelle unten bei den neuen Scheunen hingen Rinderfelle in Tierform, nur von Fleisch und Knochen gelöst, zum Trocknen an den Bäumen. Oder frisch vom Kadaver abgezogenes Fell wurde in Streifen geschnitten und anschließend in Benzinkanistern mit einer Salzlösung eingeweicht. Nach kurzer Zeit wurden die Streifen wieder herausgefischt und über Zweige gehängt, dann streckten und kneteten kleine schwarze Jungen sie, damit sie geschmeidig blieben und für die vielen Zwecke auf der Farm verwendet werden konnten. Ochsen bekamen sie um den Hals, damit das Joch festgemacht werden konnte, und das Joch wiederum wurde damit an der dicken Mittelstange des Wagens oder Karrens befestigt. Man nahm sie zum Bettenbauen oder für Sofas, oder man trocknete sie und wickelte sie zu großen Bällen auf, die man in einer Hütte lagerte, bis sie gebraucht wurden. Kleine Jungen rieben die Innenseiten der ganzen frischen Häute mit Fett und Salz ein und kneteten sie so weich, dass sie gute Bettüberwürfe oder Matten für den Fußboden abgaben.
    Oder es ging zu der Stelle, wo Ziegel gebrannt wurden. Den nötigen Lehm nahm man aus hoch aufgetürmten Termitenbauten. Er wurde auf einer ebenen Fläche aufgehäuft, mit Sand und Wasser vermischt und wiederum von kleinen Jungen gestampft, und wir, die weißen Kinder, stampften und tanzten mit. Unsere Mutter ermunterte uns dazu, weil sie bei Montessori gelesen hatte, dass kleine Kinder im Matsch wühlen sollen. Mir machte es keinen Spaß. Es war eine von vielen Situationen, in denen ich ihr zuliebe eine Rolle spielte. Mir waren der Matsch an den Füßen und die Spritzer an den Beinen unangenehm, aber ich machte weiter, mit meinem Bruder und den schwarzen Kindern. Dann waren die Matschhaufen fertig, wie Kot, fanden mein Bruder und ich kichernd, ohne es unserer Mutter je zu sagen. Dann kam der Ziegeljunge mit seinen Formen, und ein Mann füllte sie mit Lehm, während ein zweiter die Formen forttrug und in langen Reihen auf ein Bett aus Stroh stürzte. Die Sonne trocknete sie rasch zu Steinen. Dann baute man sie zu Trockenöfen auf, in denen man wie in einem Ofenloch Feuer machte. Es dauerte nicht lange, und die roten oder gelben Ziegelhaufen waren fertig, und wir Kinder kletterten und balancierten darauf herum, spürten die raue Wärme der Ziegel an den Fußsohlen, sprangen von oben herunter und kletterten immer wieder hinauf, während meine Mutter zuschaute und sich freute, dass wir diese Erfahrung machten.
    Jahrhunderte, Ewigkeiten später sank die Sonne an den Horizont und ging als atemberaubendes Schauspiel unter, das wir als selbstverständlich hinnahmen. Aber ich weiß noch, wie mir, als ich einmal allein dastand, Herz und Seele aufgingen und dem lodernden Himmel entgegenstrebten, und ich erkannte, dass ich dort hingehörte, in diese Herrlichkeit dort droben, die so traurig, so herzzerreißend traurig war; ich war gar nicht hier, würde auf keinen Fall lange hier unten sein, sondern bald entkommen.
Bald –
aber wenn ein Tag schon Ewigkeiten lang war?
    Etwa um diese Zeit schrieb ich ein »Prosagedicht« über einen Sonnenuntergang, nicht mehr als einen Absatz lang, und meine Mutter schickte es an den
Rhodesia Herald.
Mein erstes gedrucktes Werk. Ich hatte dieselben gemischten Gefühle wie heute: Ich war stolz, mein Produkt gedruckt zu sehen, und es beunruhigte mich, dass so private, intime Impulse in Worte gefasst waren, die andere lesen und in Besitz nehmen würden. Ich wand mich vor Stolz und Widerwillen zugleich, als Mutter erzählte, Mrs. Larter habe gemeint, ich sei aber begabt, weil ich als so kleines Kind schon ein eigenes Gedicht in der Zeitung hätte. Und ich schwor mir heimlich, dass ich es beim nächsten Mal, wenn ich mich zu einem »Prosagedicht« inspiriert fühlte, für mich behalten würde.
    Bei Sonnenuntergang wurde es auf der Farm laut. Die Rinder muhten, wenn sie in Herden eilig aus dem Busch in die sicheren
kraals
getrieben wurden. In der ersten Zeit gab es noch Leoparden am Koodoo Hill, nur wenige Meilen entfernt. Als die Familie

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