Unter die Haut: Ein romantischer SM-Roman (German Edition)
sie verdammt viel Schaden anrichten. Aber sie wurde es nicht los, sie mochte mich sehr und kam damit noch viel weniger klar, sehen zu müssen, wie sie mich zugerichtet hatte, wenn sie aus ihrem wütenden Rausch zurück war. Sie zerfleischte sich selbst damit, nicht nur mich, und wieder nahmen wir, diesmal gemeinsam, psychologische Hilfe in Anspruch.“
„ Ihr habt es nicht geschafft und euch dann lieber getrennt?“, möchte Juliette wissen, die das ganz dringende Bedürfnis nach einem Happyend dieser grausigen Geschichte verspürt. „Wie geht es ihr heute? Ist sie gesund?“
„ Nein, Liebling, sie ist nicht gesund, sie ist tot! Sie hat sich in meiner Badewanne die Pulsadern aufgeschnitten. Es war kein Appell, sie hat es so eingerichtet, dass ich ganz sicher nicht da war, um ihr zu helfen. Es hat lange gedauert, bis ich das begriffen habe, denn ich fühlte mich schuldig.“
Juliette nimmt Georg in die Arme. Sie ist zu fassungslos, um zu weinen, sie weiß nur, dass sie diesen Mann liebt, ihm helfen will, seine Wunden zu schließen. Sie sieht, wie viel schlimmer es Menschen ergehen kann, als es ihr selbst ergangen ist. Peinlich berührt sie, dass ihr nun die eigene Geschichte, die sie ihm da lückenhaft aufgetischt hat, vergleichsweise alltäglich und undramatisch erscheint, obwohl sie sie jahrelang genauso immer wieder erzählt hat, sich selbst und andere betrügend, den wahren inneren Schweinehund nie zum Kampf herausfordernd. Sie hat es immer wieder verständnisheischend zur Grundlage genommen, keinem Menschen mehr trauen zu wollen, sich zu verschließen vor anderen und vor dem eigenen Glück. Sie bewundert, wie liebevoll, wie zärtlich und vorbehaltlos er mit offenen Armen auf sie zugegangen ist, empfindet eine ungeheure Hochachtung vor ihm und eine ungeheure Wut auf sich selbst. Schon bevor sie jetzt zu sprechen beginnt, ist ihr klar, wie feige sie eigentlich wirklich ist, mit sich, wie wenig anständig zu ihm.
„ Keine Vorbehalte mehr, Georg! Eindrucksvoller hättest du mir nicht klarmachen können, wie relativ eigenes empfundenes Unglück sein kann. Du hast es verdammt verdient, dass ich meine Zickigkeit aufgebe und mir endlich klargemacht, wie dumm es wäre, meinem eigenen und unserem gemeinsamen Glück noch Steine ins Kreuz zu schmeißen. Wo nimmst du bloß die Geduld her?“
„ Juliette, du konntest nichts davon wissen. Jeder Mensch, der Unheil erfahren hat, glaubt, sein eigenes Schicksal wäre so grauenvoll, dass es nicht zu toppen ist. Ich weiß nicht, was schwerer wiegt für das Angehen neuer Partnerschaften. Was dir passiert ist, hat dazu geführt, dass du niemandem mehr getraut hast. Bei mir war das anders. Ich habe getrauert, mir Vorwürfe gemacht, nicht dagewesen zu sein, versagt zu haben. Die Wahrscheinlichkeit, dass mir solch eine Geschichte noch mal passiert, ist allerdings erheblich geringer, berechtigt viel weniger zu Vorbehalten. Wir alle sind täglich von den entsetzlichsten Geschichten umgeben. Wenn du Horror haben möchtest, gehst du nicht in die Videothek, dann siehst du dir am besten die Nachrichten an. Aber alles das, was wir nicht selbst erfahren haben, birgt die Möglichkeit, die Augen davor zu verschließen. Und das ist gut so! Denn ein einzelner Mensch kann nicht das Leid der ganzen Welt in sich aufnehmen. Es reicht, wenn er mit seinem eigenen Ungemach klarkommt, dem seines engsten Kreises, für sich selbst und für die Menschen, die ihn lieben. Und diese Aufrichtigkeit, die wir uns gerade gegenseitig erweisen, ist doch die beste Grundlage für den wirklichen Zweck unseres Daseins, nicht? Denn wir sind hier, um zu leben. Und wir sind hier, um zu lieben.“
Juliette ist danach, sich das nächstbeste Mäuseloch zu suchen, sich schleunigst zu verkriechen. Was bin ich für eine dämliche Kuh!, beschimpft sie sich innerlich. Wieder einmal hat ihr Schweinehund grinsend und zufrieden gewonnen.
Sie findet die Worte nicht.
Dicht schmiegt sie sich an ihn, und während sie draußen den Wind an den Fenstern zerren, leises Donnergrollen in der Ferne über dem Meer rollen hört, schläft sie ein, mit dem Gedanken, der ihr schon so oft erlaubt hat, den letzten Schritt hinauszuzögern: Verschieben wir es doch auf Morgen!
12. Kapitel
Juliettes Schlaf ist unruhig, denn das Gewitter hat die Küste erreicht.
Sturm tobt vor den geschlossenen Fenstern, lässt schweren Regen gegen die Scheiben klatschen. Die zuckenden Blitze erhellen in kürzesten Abständen bläulich grell das Zimmer. Der
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