Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Unter dunklen Schwingen - Unter dunklen Schwingen

Unter dunklen Schwingen - Unter dunklen Schwingen

Titel: Unter dunklen Schwingen - Unter dunklen Schwingen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alisha Bionda
Vom Netzwerk:
zehrende Krankheit in ihr.
    Das Mädchen sah erschreckend aus. Man sah ihr noch an, dass sie erst kürzlich ein pummeliges Kind mit frischen Farben gewesen war. Aber jetzt waren ihre runden Wangen bleich wie Käse, um ihre Augen lagen tiefe schwarze Schatten. Ihr Blick wanderte wild und fiebrig über die beiden Besucher. Als Jonathan Pike nach ihrem Hals griff, warf sie sich mit einer heftigen Bewegung herum und streckte abwehrend die Hände aus.
    Der Professor hatte jedoch schon gesehen, was er suchte. »Das sind Vampirspuren«, stieß er grimmig hervor. Er wandte sich an die Mutter, die sich schüchtern hinter ihnen ins Zimmer gedrückt hatte. »Ihre Tochter ist von einer Vampirin heimgesucht worden.«
    »Heißt das«, stotterte die Frau entsetzt, »dass sie nun auch ... eine wird?«
    Der Professor vermied eine klare Antwort. »Schließen Sie die Fenster von Sonnenuntergang bis Sonnenaufgang und stellen Sie das hier neben ihr Bett.« Er öffnete seinen Koffer und entnahm ihm eine kleine Duftlampe aus Metall, dazu ein winziges Fläschchen, in dem sich eine rote Flüssigkeit befand. »Die Lampe muss brennen, bis die Sonne wieder aufgegangen ist. Das ist wichtig, verstehen Sie? Wenn die Vampirin noch einmal an sie herankommt, könnte es für Ihre Tochter zu spät sein.«
    Die Frau nickte angstvoll.
    Julia fiel auf, dass sie die Diagnose, ihre Tochter sei von einem Vampir überfallen worden, ganz selbstverständlich hingenommen hatte.
    Als sie das Haus verließen und in den Wagen stiegen, sagte Jonathan Pike leise: »Die Gräfin Samantha wird im Tode mehr als im Leben umbringen, wenn wir sie nicht bald zur Strecke bringen, und wenn wir Pech haben, droht uns hier eine Vampirplage. All jene, die damals an den Bissen der Gräfin gestorben sind, werden aus ihren Gräbern kriechen und sich um sie scharen, um mit ihr auf Beutefang zu gehen.«
    * * *
    Der nächste Tag war klar und strahlend sonnig. Der Professor war zu einem Besuch im Dorf unterwegs. Julia begleitete ihn. In den letzten Stunden waren vier Menschen von Vampiren attackiert worden. Eben saßen sie wieder im Dorf Heidebrock am Bett eines Kindes, das von der Vampirin angefallen worden war. Die Kleine lag mit verfilzten Locken und schweißbedecktem Gesicht auf ihrem Lager. Die Vampirbisse zeichneten sich schwellend rot und unrein auf der zarten Haut ab. Immer wieder wand sie sich wie in schaurig-schönen Träumen. Ihr kleines Gesicht nahm einen seltsam erwachsenen, wollüstigen Ausdruck an, dann wieder schrie und jammerte sie und streckte Hilfe suchend die Hände aus. Der Professor legte ihr die flache Hand auf die Augen, bis sie die Lider schloss. »Seid still«, befahl er den Angehörigen, die sich hinter ihm drängten. Augenblicklich senkte sich tiefes Schweigen über den Raum.
    Das Mädchen atmete ruhiger. Die Berührung tat ihr wohl. Sie entspannte sich ein wenig, die verkrampften Fäuste öffneten sich.
    Jonathan Pike legte die Fingerspitzen auf ihre Augen und murmelte: » Ruhe Körper, Ruhe Geist ... Schlaf dir neue Kraft verheißt.« Kaum, dass er den Spruch beendet hatte, seufzte das Kind tief auf und fiel in ruhigen Schlaf.
    Der Professor stand auf. »Sie wird jetzt lange schlafen«, sagte er mit gedämpfter Stimme. »Weckt sie nicht. Der Schlaf wird ihr die Lebenskraft wiedergeben.«
    Die Angehörigen verabschiedeten ihn mit vielen Dankesworten. Er nickte ihnen zu und stieg in seinen Wagen, um den nächsten Leidenden zu besuchen.
    Auch hier drängte sich die ganze Familie aufgeregt um das Bett des Kranken, der einen bejammernswerten Anblick bot. Er lag keuchend auf seiner Schlafstätte, ein kurzbeiniger, korpulenter Mann mit einem Stiernacken und großen, fleischigen Händen. Sein Gesicht war blaugrau angelaufen. Seine Augen blickten wild wie die eines scheuenden Rosses.
    »Er hat mich gebissen, Herr«, ächzte er. »Mit seinen fauligen Zahnstummeln hat er mich gebissen, dieser Höllenbalg.«
    Jonathan Pike nickte nur und entfernte die blutbefleckte Binde, die man dem Mann um den Hals gewickelt hatte. Eine hässliche, zackige Wunde kam darunter zum Vorschein. Der Professor legte dem Kranken die Hand aufs Herz und murmelte: »Du wirst dich wieder erholen. Ich werde dir einen Spruch sagen, der dich lang und tief schlafen lässt.«
    Als er das Haus verließ, sah Julia ihm an, wie müde er war. Er fuhr sich mit dem Handrücken über die Augen und stieg mit einer schwerfälligen Bewegung in seinen Wagen. Sie ahnte, was er dachte. Wie lange sollte das noch so

Weitere Kostenlose Bücher