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Unter feindlicher Flagge

Unter feindlicher Flagge

Titel: Unter feindlicher Flagge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sean Thomas Russell
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Tauwerk spleißen?«
    »Vielleicht liegt der Unterschied in der Nuance, Doktor«, entgegnete Archer. »Ein Sonett wird immer ein Sonett sein. Es hat dasselbe Metrum, dasselbe Reimschema, vielleicht sogar dasselbe Thema. Aber in den Händen eines Genies wird sich das eine Sonett immer von den Vorgängern unterscheiden.«
    »So wie sich ein Schaf vom anderen unterscheidet?«, spöttelte der Arzt. »Mir ist es lieber, wenn ein Buch ein Schaf ist, das andere aber ein Fisch. Und dann möchte ich einen Habicht lesen.«
    »Vielleicht denken Sie sich eine neue Art von Büchern aus, Doktor«, schlug Hayden vor. »Die Autoren dieser Welt würden sich über ein neues Vorbild freuen, das sie dann wieder nachahmen können.«
    Die anderen lachten, und man prostete sich zu und wünschte sich Glück für die bevorstehende Fahrt.
    »Stimmt es, dass die Offiziere von Admiral Lord Howe in der Offiziersmesse nicht auf seine Gesundheit anstoßen wollen?«, wollte Wickham wissen.
    »Das stimmt«, antwortete Stock. »Pellin, ein Leutnant an Bord des Vierundsiebzigers, der gleich hier an unserer Backbordseite vor Anker liegt, erzählte mir genau das vor zwei Stunden. Sie sagen, Howe sei zu zaghaft und weigere sich, Spithead zu verlassen, aus Angst vor den Franzosen.«
    »Glauben Sie auch, dass der Admiral zaghaft ist, Mr Hayden?«, fragte Williams. Der Gedanke schien ihn ein wenig zu verwirren.
    »Nein«, sagte Hayden entschieden. »Ich kenne mich nicht mit seiner Taktik aus, aber zaghaft ist er sicher nicht.«
    »Was meinen Sie mit ›seiner Taktik‹?« Madison schaute ihn über den Rand des Weinglases an und trank die letzten scharlachroten Tropfen.
    »Er hat beschlossen, die Kanalflotte in Spithead zu halten, und vertraut auf Fregatten und kleinere Schiffe, die die französische Flotte im Hafen von Brest im Auge behalten. Wenn die Franzosen in See stechen, wird Howe davon erfahren und ihnen nachsetzen. Aber ich denke, diese Taktik wird einer engen Blockade weichen. So hat man es schon früher mit fremden Häfen gemacht.«
    »Mit dieser Methode wird er Männer und Schiffe schonen«, bemerkte Landry, »wohingegen es immer gefährlich ist, auf offener See zu bleiben, insbesondere im Winter. Viel zu schnell bezeichnet man die Leute als zaghaft, die klug genug sind, die Lage vernünftig zu betrachten. Zaghaft ...!«
    »Ganz recht, Mr Landry«, sagte Hayden. »Das wird niemand bestreiten, aber wenn die französische Flotte bei gutem Wind entkommt, die Kanalflotte aber in eine Flaute gerät, und das könnte durchaus passieren, dann könnten die Franzosen erheblichen Schaden anrichten, bevor sie entdeckt werden. Aber es ist nicht meine Absicht, Admiral Howe zu kritisieren. Ich denke, er ist ein tapferer und fähiger Kommandant und sollte nicht dieser harschen Kritik ausgesetzt sein.«
    »Dann sollten wir auf ihn trinken«, sagte Wickham und hob sein Glas. »Auf Lord Howe.«
    »Lord Howe!«, stimmten die anderen mit ein.
    Die Gläser wurden wieder auf den Tisch gestellt.
    »Wir sollen einen Blick auf den Hafen von Brest werfen und die Stärke der französischen Flotte einschätzen«, erklärte Landry und nahm wieder seine Gabel zur Hand.
    Hayden spürte Wut in sich aufsteigen und presste die Lippen zusammen. Hart hätte ihn längst in die Pläne einweihen müssen. Wieso wusste Landry vor ihm davon?
    »Kehren wir dann nach England zurück, oder bleiben wir auf See?«, erkundigte sich Williams.
    »Wir segeln in südlicher Richtung an Frankreichs Küste entlang«, sagte Landry, »schauen in jeden größeren Hafen, in dem Schiffe liegen könnten, und werden dem Feind so viel Ärger wie möglich bereiten.«
    »Hoffen wir, dass wir für mehr ›Ärger‹ sorgen als beim letzten Mal«, warf Madison ein.
    »Wir hatten einfach Pech«, erwiderte Landry allzu laut.
    Die letzten Worte zogen wieder ein peinliches Schweigen nach sich. Alle am Tisch schauten auf ihre Teller, manch einer der Offiziere errötete.
    Landry schien das Schweigen als Kritik aufzufassen. »Man kann nicht einfach so auf neutrale Schiffe feuern oder es gleich mit ganzen feindlichen Geschwadern aufnehmen. Wir haben nur ein Deck mit Achtzehnpfündern, wenn ich Sie daran erinnern darf, meine Herren. Schön und gut, wenn man sich als Midshipman noch für einen Haudegen hält, aber als Kommandant muss man jede Situation genau abwägen und stets das Wohl des Schiffes und der Mannschaft im Auge behalten - oder man muss sich vor einem Kriegsgericht verantworten. Ist es nicht so, Mr

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