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Unter Freunden

Unter Freunden

Titel: Unter Freunden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amos Oz
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ihm, er soll zu mir kommen, und ich verspreche dir, dass ich ihm zuhöre und ihm dann geduldig alles erkläre. Jotam ist ein verständiger Junge, und ich bin sicher, dass er unseren Standpunkt versteht und aus freien Stücken seinen Antrag zurückzieht.«
    Ein dumpfer Geruch von Pflanzenschweiß erfüllte den Kibbuz, und die heiße Luft war voller Sandstaub. Die Ficusbäume, die Kiefern, die Myrtensträucher, die Bougainvilleen, die Ligusterhecken, die Rasenflächen und die Rosen, alle schienen unter der drückenden, unbeweglichen Hitze in der Dunkelheit zu ächzen. Von den Ruinen des verlassenen arabischen Dorfes Deir Adschlun auf den Hügeln wehte ein trockener Windstoß den kratzigen Geruch von verbranntem Dornengestrüpp herüber. Vielleicht brannten dort noch immer Feuer.
    Jotam wohnte in der Siedlung der Soldaten und der Reservisten. Um neun Uhr abends trat Henja, ohne vorher anzuklopfen, in Jotams Zimmer. Sie verkündete ihm, die Vollversammlung am Samstagabend werde vermutlich seinen Antrag ablehnen. Man werde Onkel Arthur wohl mitteilen, wenn er willens sei, etwas für die Ausbildung der jungen Leute des Kibbuz Jikhat zu tun, könne er ja dem Ausbildungsausschuss Geld spenden.
    »Sie sind Fanatiker, alle«, sagte Henja, »und neidisch und missgünstig.«
    Und Jotam sagte: »In Ordnung.«
    Dann fügte er hinzu: »Danke.«
    Und nach einem langen Schweigen sagte er noch: »Du hättest nicht zu ihnen gehen sollen, Mutter. Schade, dass du es getan hast. Maschinenbau ist sowieso nichts für mich.«
    Es war drückend heiß und stickig im Raum. Moskitos summten, und um die nackte Glühbirne an der Decke flatterten zwei, drei Nachtfalter. Die Hitze des Tages hatte das Blechdach aufgeheizt, und auch durch das offene Fenster drang keine kühlere Luft. In Jotams Zimmer standen ein Eisenbett, ein grün angestrichener Holztisch, ein Kasten mit einem Vorhang, der als Schrank diente, und zwei, drei Korbhocker, und auf dem Boden lag eine Strohmatte. In einer Ecke stand ein Ventilator und versuchte vergeblich, die Luft aufzuwirbeln. Vom Fenster aus waren die Hügel zu sehen, hinter denen sich die Ruinen des arabischen Dorfes Deir Adschlun verbargen. Mutter und Sohn waren beide schweißüberströmt. Sein kurzrasierter Kopf, seine muskulösen Schultern, sein breiter, braungebrannter Oberkörper im blauen Trägerhemd und der abgebrochene Schneidezahn gaben ihmeinen Anschein von Aggressivität, die überhaupt nicht in ihm war. Seine riesigen Hände lagen schwer auf seinen nackten Knien. Er saß auf seinem ungemachten Bett, und seine Mutter auf einem der Hocker. Jotam bot ihr kaltes Wasser aus dem arabischen Tonkrug an, der unter dem Fenster stand, aber Henja lehnte mit einer Handbewegung ab, als verscheuchte sie eine Fliege.
    »Geh und sprich mit Joav. Ich glaube nicht, dass es zu etwas Gutem führt, ich habe schon mit ihm gesprochen, aber trotzdem solltest du es versuchen.«
    »Ich werde nicht mit Joav sprechen, Mutter, es hat keinen Sinn. Sie werden mich nie im Leben fahren lassen.«
    Nach einem kurzen Schweigen fügte er hinzu: »Ich möchte schon gern nach Italien fahren. Oder nicht unbedingt nach Italien. Ich möchte wegfahren. Aber es passt nicht zu mir, Maschinenbauingenieur zu werden. Das ist nichts für mich.«
    »Aber du möchtest doch studieren, oder nicht? Und Arthur bietet dir ein Studium auf seine Kosten an.«
    »Was ich möchte, ist einfach, ein paar Monate lang nicht hier zu sein. Vielleicht ein Jahr. Vielleicht zwei. Und dann sehen wir weiter.«
    »Du möchtest den Kibbuz verlassen?«
    »Keine Ahnung. Ich habe nicht gesagt, dass ich ihn verlassen will. Ich habe gesagt, ich will wegfahren. Mal sehen. Ich weiß nur, dass es mir recht wäre, nicht hier zu sein, zumindest für einige Zeit.«
    »Erinnerst du dich überhaupt an Arthur?«
    »Nein. Fast nicht. Ich erinnere mich nur, dass er die ganze Zeit Witze erzählt und Pfeife geraucht hat. Und dass er mir einmal Rollschuhe geschenkt hat, und der Erziehungsausschuss dann beschlossen hat, sie sollten allen Kindern gehören. Und ich weiß, dass der ganze Kibbuz böse auf ihn ist, seit er sich damals geweigert hat, zurückzukommen, und für immer in Italien geblieben ist.«
    Henja sagte: »Dein Bruder Gideon hat nach dem Militärdienst drei Jahre auf den Feldern gearbeitet, geheiratet, ein Kind in die Welt gesetzt und gewartet, bis er an der Reihe war und der Kibbuz ihn geschickt hat, um am Ruppin-Institut Agrarwirtschaft zu studieren. Aber du wirst nicht warten. Du

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