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Unter goldenen Schwingen

Unter goldenen Schwingen

Titel: Unter goldenen Schwingen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Natalie Luca
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verfolgte.
    Erst als wir am anderen Ausgang des Parks angekommen waren, begriff ich, dass der Park selbst nicht sein Ziel gewesen war. Wir rannten hinaus auf den Gehsteig und blieben abrupt stehen.
    Vor uns ragte eine Kirche majestätisch empor. Er zog mich die Stufen zum Eingangstor hinauf.
    »Ich glaube nicht …«, keuchte ich, schwer nach Atem ringend, … dass die Tore offen sind , vollendete ich meinen Satz in Gedanken. Doch noch bevor ich die Worte aussprechen konnte, drückte er die schweren Eisentore auf. Er schob mich ins Innere der Kirche und die Tür fiel hinter uns ins Schloss.
    Es herrschte vollkommene Stille. Die alten Mauern dämpften den Lärm der Straße und das Innere der Kirche lag in stummer Würde vor uns. Gotische Bögen und schlanke Pfeiler stützten das Deckengewölbe, das so hoch über uns war, dass es im Dunkeln lag. Es war niemand hier und nur der matte Schein der Straßenbeleuchtung fiel durch die bunten Glasfenster. Die Luft war kalt und feucht und das matte Licht brach sich in dem schwachen Dunst, der wie zarter Nebel zwischen den dunklen Steinmauern und Pfeilern hing.
    Erst jetzt entspannte mein Beschützer sich. Er ließ meine Hand los und ging ein paar Schritte durch das mittlere Kirchenschiff auf den Altar zu. Als würde ein unsichtbares Band mich mit ihm ziehen, folgte ich ihm, bis er schließlich in der Mitte des Gangs stehen blieb, und sich zu mir umdrehte.
    »Geht es dir gut?« Seine samtene Stimme, erfüllt von Besorgnis, hallte durch die Kirche. Ich konnte meine Augen nicht von ihm lösen. Seine Bewegungen waren geschmeidig wie die eines Raubtiers. Und sein Gesicht … er war noch schöner, als ich ihn in Erinnerung hatte. Unvergleichliche hellbraune Augen, markante Kieferknochen, und wildes, blondes Haar.
    Unfähig zu sprechen, starrte ich ihn an, und nickte stumm. Dann schlang ich meine Arme um meinen Körper. Meine Jacke hing über dem Stuhl in der Bibliothek. Ich hatte vor Kälte zu zittern begonnen.
    Mein Beschützer trat näher an mich heran und blieb dicht vor mir stehen, jedoch ohne mich zu berühren. Mir stockte der Atem. Was hatte er vor? Plötzlich floss mir wohlige Wärme von seinem Körper entgegen, durchströmte meine Arme und Beine, und vertrieb die Kälte.
    »Besser?«, fragte er leise.
    Ich nickte. Tausend Gedanken schossen durch meinen Kopf, und zugleich schien es nichts anderes auf der Welt mehr zu geben außer ihn und mich.
    » Was bist du ?«, flüsterte ich so leise, dass es kaum zu hören war.
    Er stand ruhig vor mir, seine atemberaubenden, hellbraunen Augen unentwegt auf mich gerichtet. »Weißt du das nicht bereits?«
    Seine Stimme war weich wie Samt und erfüllt von – Schmerz. Ich hatte das Gefühl, dass er etwas Verbotenes aussprach, als ob er ein Geheimnis preisgab, das niemals gelüftet werden durfte.
    Plötzlich wandelten sich meine Gefühle. Ich erkannte verwirrt, dass der Schmerz in seiner Stimme auf einmal wichtiger war als alles, das ich vorher gefühlt hatte. Ich verstand nicht, was geschah, doch seine Trauer war mir unerträglich, sie stach wie ein Messer in mein Herz.
    »Bitte«, flüsterte ich schockiert. »Bitte … nicht …«
    Doch anstatt ihn zu trösten, machte ich mit meinen Worten alles noch schlimmer. In seinen schönen Augen spiegelte sich Zerrissenheit.
    Verwirrende Emotionen tobten wie ein Orkan in meinem Innern. Was geschah mit mir? Was war das für eine seltsame Verbindung, die ich zu ihm spürte? Meine Brust verengte sich, als würde mir die Luft abgeschnürt. Zitternd griff ich mir an die Kehle und rang nach Luft.
    »Was ist los mit mir?«, stieß ich hervor.
    Er hob beschwichtigend seine Hand. »Ich spüre deine Verzweiflung. Du hast das Gefühl, dein Herz zerbricht, und du verlierst den Verstand.«
    »Wie kannst du …?«
    Er lächelte gequält. »Wie könnte ich nicht? Dein Schmerz ist mein Schmerz, Victoria.«
    Seine Worte verwirrten mich nur noch mehr. Ich schüttelte schwach den Kopf.
    »Es ist unerträglich für mich, zu spüren, wie du leidest«, flüsterte er. »Und dass ich damit zu tun habe, macht es noch viel schlimmer. Ich will dir niemals wehtun.«
    Während sein Blick mich gefangen hielt, kämpfte ich darum, dass das Chaos in meinem Kopf aufhörte. Das Band zwischen uns fühlte sich so ursprünglich und stark an – mein Verstand begriff nicht mehr, was hier vor sich ging.
    Mit einem schmerzerfüllten Ausdruck im Gesicht wandte er sich ab, blickte auf die hohen, bunten Kirchenfenster, und schloss die

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