Unter Korsaren verschollen
sagt denn, daß dieser El-Fransi der Genuese ist? weist er sich schnell zurück, denn das Gefühl wird immer mehr zur Gewißheit – nicht in das hohe, verwickelte Spiel der Politik eingegriffen. Noch nicht. Kann es aber nicht schon morgen, nicht schon in dieser Stunde^ geschehen?
Vielleicht ist alles doch ganz harmlos. Er sucht seinen Sohn. Das wäre für den Bestand der Regentschaft nicht schlimm. Wieder muß sich der Renegat tadeln und zur Ordnung rufen. Warum soll der Mann geschont werden; denn darauf läuft dieses als harmlos Hinstellen doch hinaus? Weil er ein Genuese ist? Keine Gefühlsduselei.
Genua, die Heimat, ist längst überwunden, ist nichts anderes als ein Punkt auf der Landkarte. Ja, es wäre nicht schlimm, wenn es nur um das Auffinden des Kindes ginge. Aber El-Fransi ist der Nachfolger des Franzosen El-Fransi! Sogar den Neger Selim, den alten Begleiter des anderen, hat er an seiner Seite. Wurde ihm der ge-achtete und geliebte Name El-Fransi allein darum überlassen, damit er den Jungen suchen kann? Undenkbar.
Parvisi arbeitet für Frankreich. Ist es so, dann droht Gefahr, die nur einer beseitigen kann: er selbst, Benelli!
Und die Harmlosigkeit El-Fransis ist nur Maske. Was ein eingeborener Spürer nicht heraushört, Mustapha merkt es. Man spricht viel von El-Fransi im Land. Daß er ein treuer Freund, ein Helfer, ein Ratgeber sei, aber daß er nicht gegen die Türken hetze, alles dem einzelnen selbst überlasse.
Man kann auf Grund solchen Tuns El-Fransi nicht verurteilen. Er hat nichts gegen die Türken angezettelt, aber er hat, und das ist viel wesentlicher, die Menschen zum Nachdenken gebracht. Ein plötzlich auflodernder Brand kann schnell gelöscht werden, ein unter der Oberfläche schwelendes, von Balken und Mauerwerk verdecktes Feuer wird zu einem Flammenmeer, das zu bekämpfen großer Mittel bedarf. Wenn die Menschen sich eine Sache lange überlegen, das Für und Wider abwägen, Erfolg und Mißerfolg in Rechnung setzen, sich Zeit lassen bis zum Reifen der Frucht, dann droht höchste Gefahr. -
»Ich bin Mustapha, der Ratgeber des Deys«, so stellt sich Benelli dem Dorfoberhaupt vor.
»Willkommen, Herr. Eine große Ehre widerfährt unserem Dorf durch deinen Besuch. Was führt dich zu uns?«
»Ich bin auf einem Jagdausflug, mein Freund. Kann ich euch irgendwie helfen? Werden eure Herden von wilden Tieren heimgesucht? Ich bringe sie zur Strecke.«
»Du bist gütig, Herr.« Der Kabyle verneigt sich erneut.
Ein zugeknöpfter Kerl, stellt Benelli fest. War es falsch, sich als Ratgeber des Deys zu erkennen zu geben?
»Ich wiederhole: Ich helfe euch gern.«
»Danke, Herr, aber du kommst zu spät.«
»Zu spät? Ich verstehe dich nicht.«
»El-Fransi hat uns geholfen, Herr!«
Benelli lächelt befriedigt, der Kabyle bemerkt es. Man ist dem Jäger nahe. »Ich freue mich, das zu hören. Ein braver Mann, dieser El-Fransi!«
»Unser Freund, Herr.«
»Ihr könnt stolz auf ihn sein. Was ich von ihm hörte, ist so erregend, daß ich einmal mit ihm zusammen auf Jagd gehen möchte. Sage mir: Wo kann ich ihn treffen? Du wirst von mir gehört haben, daß ich…«
»Ja, Herr.«
»Was denn, Mann?«
»Daß du ein großer Herr bist.«
‘ Benelli lacht. Dieses Dorfoberhaupt ist ein Tölpel, ein Narr, nicht richtig im Kopf. »Das wollte ich nicht sagen, mein Freund. Aber, daß ich mich mit El-Fransi als Jäger messen kann. Ich möchte einmal mit ihm zusammen jagen. Wo ist er?«
»Ich weiß es nicht, Herr.«
»Man sagte mir, daß er noch gestern hier gesehen worden sei.«
»So, gestern, Herr?«
»Eigenartig, daß du davon nichts wissen willst.«
Der Kabyle läßt die Bemerkung unbeachtet.
»Schade. – Du lügst, Alter!« Ganz leicht, tändelnd wirft Mustapha die Beleidigung hin.
»Ich wage es nicht, dir, einem großen, mächtigen Herrn, zu widersprechen, auch wenn du falsch denkst.«
»Maledetto! Verflucht!« Aus dem Kerl ist nicht klug zu werden. Es wird gut sein, die Sache mit einigen freundlichen Worten zu übergehen.
»Verzeih, ich wollte dich nicht beleidigen. Man hat mich anscheinend falsch unterrichtet. – Wir bleiben diese Nacht bei euch. Ich selbst nehme die Einladung in dein Haus an. Für meine Begleiter suche eine entsprechende Unterkunft.«
Daß er nicht persönlich von dem Kabylen eingeladen wurde, stört Mustapha nicht. Er ist der Herr, andere haben es sich zur Ehre anzurechnen, ihn beherbergen zu dürfen.
Mitten in der Nacht verläßt ein Mann das Dorf. Auf leisen Sohlen
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