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Unter Korsaren verschollen

Unter Korsaren verschollen

Titel: Unter Korsaren verschollen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Legere
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folgt nicht dem Befehl des Hirns, ist gelähmt. Zeit gewinnen, bis das Blut wieder normal kreist. Benelli wirbelt den Körper zur Seite. Zu spät und falsch. Er rennt mit der Brust in die Klinge des schwan-kenden, todbleichen, aber nicht besiegten Parvisi.
    El-Fransis linker Oberarm ist zerschmettert, hängt kraftlos am Körper herab.
    Der Renegat sinkt zu Boden. »El-Fransi!« Selim ruft um Hilfe.
    Der Notschrei des Freundes zerreißt den roten Schleier vor Luigis Augen, bannt die Schwäche, den Schmerz. Er stolpert vorwärts. »Nicht schwach werden jetzt, durchhalten!« feuert er sich an.
    Es gelingt. Die Gegner, denen sich der schwerverwun-dete Mann zuwendet, sind nicht mit Mustapha zu vergleichen. Aber drei gegen einen, das ist auch für den tapferen und gewandten Neger zuviel.
    Der Verwundete drängt den gefährlichsten der Burschen von Selim ab. Durchhalten, durchhalten! Anderes kennt Parvisi in diesem Augenblick nicht.
    Ein Krummschwert fliegt in hohem Bogen davon. Der Maure ist entwaffnet. Er flieht.
    Mag er. Parvisi wird ihm nicht folgen; denn Selim ist weiterhin in Gefahr. Einer der anderen will ihm in den Rücken fallen.
    Dem Mann bleibt vor Schreck der Mund offenstehen, als er sich plötzlich El-Fransi gegenübersieht.
    »El-Fransi!« brüllt er auf, wirft die Waffe weg und stürzt hinüber zu den Pferden, um seinem Kameraden, der bereits geflohen ist, zu folgen.
    Nun der letzte. Aber der hat den Schrei seines Freundes gehört. Auch er sucht nun das Heil in der Flucht.
    Parvisis Kopf sinkt auf die Brust. Noch ein Schritt, schwankend, taumelnd, dann umfängt ihn Nacht.
    Schatten, tiefe, schwere Schatten zwischen den Bergen.
    Die Sonne geht unter. Da erwacht Luigi.
    »Was war, Selim?« fragt er den Freund, der neben ihm sitzt. Wie schwer das Reden fällt. Ganz leise kommen die Worte. »Schlaf, Luigi. Es ist alles gut. Ich wache.
    Schlaf.«
    Schlaf. Das Wort ist Zauber. Parvisis Lider senken sich wieder über die Augen. Bleischwer ist der ganze Körper.
    Szenen des Kampfes werden lebendig. »Mustapha?«
    fragt Parvisi.
    »Seine Stunden sind gezählt. Du hast ihn besiegt.«
    »Den Ratgeber des Deys? Besiegt? Seine Stunden –
    sind – gezählt? Nein, Selim, nicht.« Wieder sind die Worte nur ein Säuseln. Dann aber: »Selim, schnell, hilf mir! Der Mann darf nicht sterben, bevor ich ihn gesprochen habe. Los, Selim, hilf!«
    »Du mußt liegenbleiben, dein Arm ist zerschossen«, wehrt der Neger ab und drückt den sich unter Schmerzen Aufrichtenden sanft auf das Lager zurück. »Los!«
    Das ist ein Befehl, hart, schneidend, herrisch. Selim zuckt zusammen. So hat El-Fransi in den Jahren nie gesprochen, gefordert, befohlen.
    »Es geht um Livio!«
    Da weiß der Freund, daß alle Schwäche von dem Verwundeten gewichen ist, daß El-Fransi seinen Willen so oder so durchsetzen wird.
    Selim hatte auch die Wunde des Renegaten verbunden.
    Benelli ist wach, als die beiden Freunde zu ihm treten.
    »Wie fühlen Sie sich, Signore – Mustapha?« fragt Parvisi. »Ich muß Sie so nennen, da mir Ihr Name unbekannt ist.«
    »Wie sich einer fühlt, mit dem es in Kürze aus sein wird«, antwortet der große Abenteurer spöttisch. Er fürchtet den Tod nicht.
    »Selim wird Sie pflegen, soweit es seine Kräfte erlauben. Es tut? mir leid; ich wollte Sie nur außer Gefecht setzen und mußte mich gegen einen Meister der Fecht-kunst wehren. Ihren Tod, ich hoffe sehnlichst, daß es nicht dahin kommt, wollte ich nicht.«
    »Mag sein, Parvisi. Ich war unvorsichtig und am Ende meiner Kraft. Was tut’s? Mein Leben vergeht, wie es gelebt wurde und wie ich es mir immer gewünscht habe: im Kampf. Was wollen Sie? Unwissend haben Sie mir dazu verholfen.«
    »Was können wir für Sie tun?«
    »Sie, gar nichts, Landsmann. Ich sehe es Ihnen an, daß Sie genug mit sich selbst zu tun haben.«
    »Landsmann? Also sind Sie Italiener?«
    »Genuese.«
    »Was? Dann müssen Sie unbedingt gerettet werden. Es muß einen Weg geben.«
    »Unsinn! Mir kann auch der beste Arzt nicht mehr helfen. – Ich hätte mich gern in den letzten Stunden auf der Erde mit einem Menschen über die Heimat unterhalten, aber es geht nicht mehr. Ich fühle es. Der Pendelschlag meiner Lebensuhr wird langsamer und langsamer. – Fragen Sie, Parvisi. Ich weiß, Sie haben etwas zu fragen.«
    »Ich bewundere Ihren Scharfblick, Signore – «
    »Pah, Scharfblick«, höhnt sich Benelli selbst.
    »Wissen Sie etwas über ein Kind Livio, das mit der
    ,Astra’ vor Jahren in die Sklaverei

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