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Unter Korsaren verschollen

Unter Korsaren verschollen

Titel: Unter Korsaren verschollen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Legere
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übersieht.
    »Hältst du mich für so tief gesunken, daß ich dich erpressen könnte?«
    »Warum hast du uns gefangengenommen?«
    »Vielleicht wollte ich wieder einmal mit dir plaudern.
    Wie viele Jahre sind seit unserem letzten Zusammensein verstrichen?« wirft Tomasini spöttisch ein.
    Parvisi fühlt sein Gesicht glühen. Ein Schuft, der Freund, der ehrliches Mitgefühl über seinen Sturz mit Spott belegt.
    »Keine Ausflüchte, Giacomo. Warum?« fragt er hart.
    »Die Welt ist schlecht«, wiederholt der Herr der Berge mit tiefem Ernst.
    »Eine billige Erklärung deiner Handlungen. Weil die Welt in deinen Augen schlecht ist, mußt du es auch sein.«
    »Sind Räuber, Banditen, Briganten Menschen?« fragt Tomasini.
    »Ja, natürlich. Aber was soll das?«
    »Menschen also. Das ist das Wichtige. Einzelne wirkliche Verbrecher befinden sich darunter, zugegeben; die große Masse aber sind Unglückliche, die rauben und stehlen, nicht um gemeine Lüste zu befriedigen, sondern um sich das wenige zum Lebensunterhalt zu beschaffen, das ihnen die eigenen und fremden Herrschenden vor-enthalten. Auf der einen Seite Unterdrückung, Knech-tung, auf der anderen Auflehnung dagegen. Wer ist schlecht, Andrea?«
    »Du bist Karb…-« Bevor Parvisi das Wort aussprechen kann, ist Tomasini hinzugesprungen und preßt dem Freund die Hand fest auf den Mund.
    »Schweig!« herrscht er ihn hart und mit der befehlen-den Stimme des Herrn der Berge an.
    Das halbausgesprochene Wort und die Erregung Tomasinis lassen den beiden Kaufleuten blitzartig klarwerden, daß sie es mit einem Mitglied des großen Freiheitsbun-des der Karbonari zu tun haben.
    Der Karbonaio weiß, daß sein Geheimnis durchschaut ist. Um vor dem alten Freund bestehen zu können, hat er sich zu einer Unvorsichtigkeit hinreißen lassen. Er, ein Führer des Bundes!
    »Ich habe nichts Böses im Sinn gehabt. Die Gefangennahme war unvermeidlich. Warum, werde ich später erklären. Jetzt wiederhole ich: Sie sind meine Gäste, die ganz über mich und meine Leute verfügen können. Geben Sie mir, ich bitte darum, Ihr Ehrenwort, daß Sie über alles, was hier geschieht und Sie vom Treiben des Herrn der Berge sehen sollten, unverbrüchliches Schweigen bewahren werden.«
    »Ich verpflichte mich auf Ehrenwort, zu schweigen«, bestätigt Andrea Parvisi.
    »Auch ich werde es tun. Genügt Ihnen das, Herr Tomasini?«
    »Vollauf, Monsieur de Vermont. – Und nun hört, Freunde; denn auch Sie darf ich doch so nennen«, er blickt zu dem Franzosen, de Vermont nickt zustimmend,
    »was mich bewog, euch festnehmen zu lassen.«
    »Es gibt einen besonderen Grund dafür?«
    Kurz berichtet Tomasini von der Unterredung mit Gravelli. »Das ist der Auftrag. Ich habe ihn zum Teil ausgeführt, nicht, weil ich das Gold brauche, oder weil solche Verbrechen zu meinem Handwerk gehören, sondern um dich zu schützen. Noch während der Bankier sprach, war es mir klar, daß, wenn ich nicht zusagte, sich ein anderer fände und dein Leben in Gefahr bliebe. Das Warum, die Gründe, die Gravelli für seine Befürchtungen hat, waren mir erst einmal nebensächlich. Ich kenne den Bankier, und ich kenne dich, Andrea. Auf jeden Fall mußtest du schnellstens in meine Hände gelangen. Der Zufall kam mir mit deiner Reise zu Hilfe. Wenn du mir nicht auf halbem Wege entgegengekommen wärst, hätte ich dich aus deinem Haus in der Stadt entführen lassen oder her-ausgelockt.«
    »Das wäre wohl nicht so einfach gewesen, Giacomo!«
    »Bah. Dem Herrn der Berge bieten solche Sachen keine Schwierigkeiten. – Doch weiter. Es ist notwendig, daß du und auch Herr de Vermont für einige Zeit verschwin-den. Um Gravelli zu täuschen, müßt ihr tot für die Welt sein. Was weiter geschehen wird, weiß ich im Augenblick noch nicht. Ich verstecke euch an einem sicheren Ort. Freilich, solche Bequemlichkeiten, wie sie dein Landhaus bietet, kann ich wohl nicht versprechen.«
    »Was hat Gravelli gegen mich?« Parvisi hat laut gedacht. Es ist keine Frage an Tomasini.
    »Die alte Feindschaft vielleicht?« wirft der Freund ein.
    »Auch davon weißt du?«
    »Du vergißt, wer ich bin. – Ich kann es mir nicht denken. Wegen eines dummen Streiches deines Sohnes so viele Jahre später solche Rache nehmen zu wollen, erscheint abwegig. Etwas Neues muß vorgefallen sein.«
    »Ich wüßte nicht.«
    »Das klingt wenig überzeugend.« Es ist wirklich so.
    Parvisis Worte kamen zögernd.
    »Denke scharf nach, Andrea. Alles ist wichtig. Jedes Wort, das ihr letzthin

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