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Unter Korsaren verschollen

Unter Korsaren verschollen

Titel: Unter Korsaren verschollen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Legere
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gewechselt habt, kann möglicher-weise die Lösung des Rätsels enthalten.«
    »Sollte der gestrige Auftritt ihn dazu bewogen haben?«
    Tomasini beugt sich über den Tisch. »Was hat es gegeben?«
    »Ich schleuderte ihm entgegen, Bürger Genuas müßten die Hand im Spiele haben, daß so viele unserer Schiffe von den Korsaren gekapert werden!«
    Wein fließt über den Tisch. Der Herr der Berge hat den Krug umgestoßen. Er hält den Kaufmann an den Schultern umklammert.
    »Andrea! Beweise, Beweise! Wie kommst du zu dieser furchtbaren Anklage. Wenn du recht hättest!« Parvisi spürt, daß die ihn festhaltenden Arme des Freundes, der ganze Körper des Mannes, zittern.
    »Ich kann nichts beweisen. Gravellis Reden ließen einen solchen Schluß zu.«
    Tomasini sinkt auf den Stuhl zurück. Erloschen ist das Feuer.
    »Sie machten Ihre Bemerkung allein dem Bankier gegenüber?« fragt de Vermont.
    »Nein, ein anderer Kaufmann, Signore Brandi, war dabei.«
    »Ein Zeuge also«, mischt sich Tomasini wieder ein.
    »Einer aus dem Kreis Gravellis. Bitte, Andrea, erzähle alles haargenau.«
    »Wenn ich zu weit gegangen bin, dann nur deshalb, weil ich in Sorge um meinen Sohn Luigi, den kleinen Livio und meine Schwiegertochter war. Und sie war berechtigt. Meine Lieben sind mit der ,Astra’ gekapert worden. Herr de Vermont ist eigens aus Marseille gekommen, um mir die schlimme Nachricht schonend zu überbringen.«
    Die Männer schweigen. Die Kerzen flackern im stoß-
    weisen Atmen des Kaufmanns.
    »Armer Andrea. Das Liebste verloren. Doch wer sagt dir, daß es so sein muß? Noch hast du keine Bestätigung, daß deine Kinder tot sind. Solange sie fehlt, leben sie.
    Sie leben!« Die Stimme des Herrn der Berge hat zwingende Gewalt, ist Befreiung von übermächtigem Druck.
    Doch nur kurze Zeit. Gekapert, in der Hand der Korsaren, das ist ja Tod, nichts anderes.
    »Vielleicht«, murmelt der unglückliche Vater.
    »Warten wir ab. Aber nicht untätig. Wenn sich deine Vermutung bewahrheitet, daß Gravelli die Hand im Spiel hat, dann gnade ihm Gott!
    Das Verbrechen an den Deinen und – dem Volk wird gesühnt werden. Jetzt berichte ausführlich.«
    Der Kaufmann kommt der Aufforderung, wenn auch stockend, nach. De Vermont, der die italienische Sprache fließend beherrscht, unterstützt ihn, soweit er die Angelegenheit kennt.
    Während des Berichts ist der Banditenchef im Raum umhergewandert. Nun bleibt er am Tisch stehen, blickt über seine Gäste hinweg. Seine Finger zeichnen Kreise in die Weinlache. Man spürt, wie in diesem eigenartigen Mann die Gedanken arbeiten.
    Endlich ist er mit seinen Überlegungen fertig.
    »Ich wette alles gegen nichts, daß dein Leben, Andrea, verspielt wäre, wenn ich dich nicht schützen könnte. Für Gravelli gibt es keine andere Möglichkeit, als dich zum Schweigen zu bringen. Deine Vermutung hat ihn persönlich getroffen, und so tief, daß er sich verriet. Fühlte er sich unschuldig, hätte er sofort die ganze Kaufmann-schaft Genuas auf die Beine gebracht und sie gegen dich gehetzt. Dadurch konnte er sich gefahrlos für die frühere Sache rächen. Daß er es nicht getan hat, ist für mich ein schlagender Beweis seiner Schuld. Du magst seine Handlungen als gewöhnliche Verbrechen ansehen. In meinen Augen sind sie Hochverrat! Verrat an den Menschen und dem ganzen Volk.« Tomasini richtet sich steil auf. »Ja, ich bin Karbonaio. Mag das Wort in diesen vier Wänden ausgesprochen werden. Ich kämpfe unter der Maske des Straßenräubers für die Gleichberechtigung aller. Unsere unzähligen Fürsten und Fürstchen führen kostspielige Hofhaltungen, überbieten sich gegenseitig in Festen und Gelagen und kümmern sich nicht um ihre Arbeiter und Pächter, erinnern sich ihrer nur dann, wenn die Kassen aufgefüllt werden müssen. Die großen Herren kennen nur Ehrgeiz und Machtvergrößerung. Diese verderblichen Einzelinteressen schwächen unsere Kraft; sie machen uns zur überreifen Frucht für fremde Eroberer. Verrat ist an der Tagesordnung. Erfolge werden hinter dem Rücken der Kämpfer zunichte gemacht. Die Verflechtung der Geschlechter mit den großen Höfen Europas hat unsere Heimat zum Spielball aller werden lassen. Was gehen denn den Dey von Algier, was die anderen nordafrikanischen Paschas und Beys Italien an?
    Wie leicht müßte es uns werden, die Korsaren zu vernichten, wenn wir einig wären, unsere Kraft geballt auf sie werfen könnten! Aber wir können es nicht; denn wir sind nicht einig. Unglückliches

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