Unter Tage
sieht ganz kühl, ganz edel und besonnen aus, weil er auf eine gewisse Art mehr Commander Watch ist, als es Job und Eber jemals werden können.
»Hm«, macht Job und denkt daran, Perez und Eber zu ärgern, indem er das Video einfach ausschaltet, aber das hat er einmal mit seinem Vater gemacht und die Erinnerung ist nicht angenehm, weil Jobs Vater für diese Scherze nichts übrig hat und gleich lostobt. »Hm«, macht Job zum zweitenmal und schaut sich unentschlossen um, schaut wieder Eber und Perez an und weiß mit einemmal ganz genau, daß er diesen Abend vergessen kann. Perez und Eber werden sich zweifellos den ganzen Sternpiraten und wohl noch einiges mehr zu Gemüte führen, weil für sie das Sensi-Gerät wirklich etwas sehr Interessantes und zumindest für Perez etwas völlig Neues ist. Aber nicht für Job, der die Nase voll davon hat, weil er weiß, wie es bei ihm zu Hause zugeht, wenn das Video läuft. Nur – wie soll er das Eber und Perez erklären, die in dieser Sekunde ihren Kampf gegen den Piraten und das Grauen von den Sternen bestehen und unvermeidlich siegen werden, weil die Terranische Eingreifreserve immer gewinnt, tatsächlich immer.
»Tja, dann werde ich gehen«, erklärt Job laut, und Perez knurrt irgend etwas, denn wenn man laut genug spricht, dann durchbricht der Klang der Stimme die Sensi-Reize. Aber Commander Watch ist jetzt wohl auf Trobos Beta zu sehr mit dem Sternpiraten und seinen fremdrassigen Kumpanen beschäftigt, um sich mit jemand wie Job abzugeben; vor allem, wo es doch dort um Krieg und Frieden in der Galaxis und hier nur um zwei lächerliche Monate lächerlicher Montage-Arbeit geht. Millionen Menschenleben gegen Jobs Lehrlingsprobleme, wird Commander Watch jetzt denken, und da fällt die Gewichtung natürlich nicht schwer, wie jeder einsehen wird. Job versteht das, denn wenn man zu Hause jemand sitzen hat, der oft in Kandahar oder am Rio Bravo oder im Tele-Nightclub herumirrt, dann lernt man sehr schnell, so etwas zu verstehen.
Also geht Job hinaus, schließt hinter sich die Tür und springt die Stufen hinunter, bis er das Erdgeschoß erreicht, wo der Junge noch immer sitzt und in der Zwischenzeit von einem gleichaltrigen Mädchen Besuch bekommen hat. An dessen Ohr klebt ebenfalls ein kleines Radio, und es liest in der schummerigen Beleuchtung das Jugend-Magazin, das fetzige knallbunte Blatt, randvoll mit tollen Berichten über Stars und ihr aufregendes Privatleben und mit Kosmetiktips und Doktor Sommers Kummerkasten und den ersten erotischen Erlebnissen von Hanne und Horst und Hinweisen für Verhüterli und Intimdeos und Spitzenunterwäsche.
»… wenn du vorbeigehst / bleibt für mich das Leben steh’n / wenn du vorbeigehst / dann werde ich untergeh’n / und dann blickst du mich an, und wir sehen uns dann, und unsre Herzen schrei’n / komm / komm / komm zu mir / ich / ich / ich bin hier …«
Dann ist Job auch wieder draußen auf der Straße, die nun nicht mehr so belebt ist, und Job geht rasch weiter und ist froh, daß ihm niemand entgegenkommt, weil man nie so genau weiß, was das für Leute sind und was die vorhaben. Er geht schnell, aber nicht zu schnell, denn wer zu schnell geht und auch nicht dort wohnt, wo man ihn antrifft, der muß vermutlich etwas zu verbergen haben, und in jedem Wohnbereich gibt es Kontaktpolizisten, die die Schäfchen in ihrer Gegend gut genug kennen, um einen Fremden von einem Ansässigen zu unterscheiden, vor allem, wenn der zu schnell geht. Bald erreicht er dann eine Straße, die weit genug am Rand der Nordstadt liegt, um eine Rufsäule für die Cittax zu besitzen, und er betätigt die Ruftaste und wartet. Er denkt, daß dieser Tag ja nicht sehr vielversprechend angefangen hat und noch weniger vielversprechend endet, zumal er immer noch nicht weiß, wie – verflixt und zugenäht – er sich morgen verhalten soll.
Endlich summt das Cittax heran. Job steigt ein. Er sieht zwei andere Fahrgäste, aber er sieht sie jetzt nicht mehr richtig und denkt auch nicht viel, sondern döst während der Fahrt, die länger dauert als gewöhnlich, weil einer der beiden anderen Fahrgäste nicht die Cronenberger Wohntürme zum Ziel hat. Doch schließlich ist der andere ausgestiegen, und das Cittax summt auf der Computerspur über die Straße und erreicht schließlich Jobs Wohngegend, so daß er den Haltknopf preßt und aussteigt. Mehlhard sitzt noch immer in seinem Panzerglaskäfig und blickt nur flüchtig auf, als der Türidenter Jobs Personenkarte abtastet
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