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Unter Tage

Unter Tage

Titel: Unter Tage Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Ziegler
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uns alle fort, sie laufen über zu den Sensis. Niemand will mehr normale Filme sehen, auch keine Pornos. Ja, ja, möglicherweise ist das ein wenig übertrieben, aber ich sehe schwarz, verdammt schwarz!«
    »Zum Wohl! – Alleinstehende also; unstete Augen, voller Komplexe, unansehnlich, neurotische Angst vor Frauen, Impotenz und so fort, du weißt ja, wie das ist.«
    »He! Diese Anspielungen verbitte …«
    »Nur ein Scherz, Bill, vergiß es! – Zum Wohl! – Mein Gott, Bill, siehst du nicht die Chancen, die sich abzeichnen? Jeder von diesen verkalkten, lüsternen Greisen sehnt sich nach den besten, willigsten, hübschesten, dümmsten Frauen der Welt, aber bislang waren sie nur Zuschauer, beäugten wild reibend die Leinwand, ächzend, keuchend, mit trockenem Hals und dem Geschmack von schalem Bier auf den Lippen. Diese Filme waren nur ein Ersatz, doch es gab nichts anderes, also mußten sie sich damit begnügen.
    Und jetzt stell dir vor, jemand kommt und bietet diesen verhinderten Casanovas willige, zu allem bereite Frauen und unbeschränkte Potenz!«
    »He, Pete, als Zuhälter und Sexpillenverkäufer …«
    »Mach keine Witze, sondern trink! – Bill, wir können ihnen das alles besorgen! In natura, Lebensgröße, dreidimensional, zum Begrapschen, Betasten; Mann, Bill, ich werde verrückt!«
    »Das befürchte ich auch! Wie stellst du dir das vor? Woher willst du die Tanten nehmen? Und glaubst du im Ernst, die Leute haben genug Geld, um sich Abend für Abend … – Pete! Aber das ist doch …! Himmel!«
    »Bill, endlich begreifst du, was ich meine! Stell dir vor, stell dir das einmal richtig vor! Sensipornos! Die Idee des Jahrtausends! Für jeden Geschmack etwas! Unbegrenzte Orgasmen! Die schönsten Frauen der Welt! Bill! Bill! Wir werden reich! Reich? Ha! Wir werden in Geld schwimmen!«
    »Hm. – Danke! Zum Wohl! – Aber woher nehmen wir das Geld für die Lizenz? Hm. Laß mich nachdenken … Ja, ich habe einen guten Freund, der …«
    »Bill?«
    »Ja, Pete?«
    »Bill, man wird uns ein Denkmal setzen!«
    »Wie?«
    »Ein goldenes Denkmal mit der Inschrift: Splash und Jefferson – jene, die die Menschheit glücklich machten!«
    »Zum Wohl!«
     
    *
     
    Auszug aus einem internen Rundschreiben des Innenministeriums:
    … drahtlos übermittelten elektronischen Reize des bei der Filmwirtschaft Verwendung findenden Sensiprojektors SS-Simulary-A-Zero bewirkten bei den Versuchspersonen einen Übertragungsstop der elektrischen Impulse von den Sinnesorganen zu den Synapsen, den Schaltstellen des Gehirns. Die tatsächliche, real vorhandene Umwelt wurde von der Versuchsperson nicht mehr wahrgenommen. Gleichzeitig nahm die Versuchsperson die Identität der programmierten Simulations-Persönlichkeit an; dieser Prozeß kehrte sich jedoch nach Ende der elektronischen Reizung wieder um, und selbst durch sorgfältigste psychiatrische und medizinische Untersuchungen ließen sich keine Beeinträchtigungen des Ich-Bewußtseins und der Körperfunktionen feststellen. Auch nach längerer Zeit unserer Nutzung des Sensiprojektors traten keine schizophrenen Phänomene auf, wie man sie zu Beginn vermutet hatte.
    (Im übrigen wirkten sich simulierte Aktivitäten in der durch den Sensiprojektor erzeugten Phantasiewelt nicht auf die physische Situation der Versuchsperson aus. Gewissermaßen handelt es sich also nur um einen völlig realistischen Film, in dem der Betrachter mitwirkt.)
    Aus diesen Gründen erscheint eine cineastische Nutzung des Sensiprinzips unbedenklich, teilweise sogar förderungswürdig, da es dem Menschen ermöglicht, auch andere Persönlichkeiten und Lebensformen – zumindest bei ernstgemeinten und sorgfältigen Produktionen – in einer Form nachzuvollziehen, deren Intensität durch nichts zu überbieten ist.
    (Beispielsweise empfiehlt es sich, insbesondere Rassendiskriminierung u.ä. dadurch zu bekämpfen, daß jeder Weiße Leben und Identität andersfarbiger Bevölkerungsteile durch einen Sensifilm deutlich vor Augen geführt bekommt, was zwangsläufig mehr Toleranz erzeugt.)
    Weiterhin erscheinen Schulungskurse gleich welcher Art und dergl. durch das Sensiprinzip erleichtert. Das gesamte Bildungssystem könnte davon profitieren.
    Leider lassen sich jedoch auch andere Anwendungsmöglichkeiten denken (zum Beispiel militärische, propagandistische usw.), aber eine gesetzgeberische Regelung dürfte diese Gefahr, wenn auch nicht völlig abwenden, so doch erheblich vermindern.
    Obwohl die Forschungen noch nicht

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