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Unter Trümmern

Unter Trümmern

Titel: Unter Trümmern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Heimbach
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der sicher einmal zum Mauerwerk eines der Häuser oder Hotels hier gehört hatte, die nun auch wie alles in der Innenstadt zerstört waren. Wind war aufgekommen, der schnell stärker wurde und den Staub aus den Trümmern über den Platz wehte und sich auf die Menschen legte. Dorle spürte die Sand- und Staubkörner auf ihrer Haut, zwischen ihren Zähnen knirschte es.
    Sie sah dem Treiben auf dem Platz zu und verfiel wieder ins Grübeln: Es erschien ihr seltsam, dass der Krieg erst ein Jahr vorbei war. Er war so weit fort, obwohl alles um sie herum daran erinnerte. Sie versuchte sich an das Gefühl der Freude zu erinnern, das sie überkam, als endlich klar war, dass das Morden ein Ende hatte. Mehr als zwei Jahre war es her, dass sie die letzte Nachricht von Hans-Joachim erhalten hatte. Hatte sie sich da gefreut? Was waren ihre Gedanken gewesen, als der Brief von ihm gekommen war, knapp, mit dieser krakeligen Schrift, der man ansah, dass ihm das Schreiben schwer gefallen war. Oder war es die Gleichgültigkeit, die aus den wirren Worten sprach? Wann war das letzte Mal gewesen, dass sie sich glücklich gefühlt hatte? Glück? Gab es das überhaupt? Für sie?
    Zuerst hörte sie die Schreie, unverständlich, laut und warnend, sie schwollen an, die aufheulenden Motoren, das scharfe Bremsen und das Getrampel von Stiefeln kam hinzu. Von allen Seiten fuhren französische Polizeikraftwagen auf den Platz und riegelten ihn ab. Soldaten und Polizisten mit französischen Uniformen waren überall, bildeten Sperrriegel, während weitere Fahrzeuge kamen.
    Ein Polizist trat vor sie und forderte sie auf, sich zu einer Gruppe von Leuten zu stellen, die am Rande des Platzes stand und deren Rucksäcke und Taschen durchsucht wurden. Da sie weder das eine noch andere bei sich hatte, forderte einer der Polizisten sie auf, die Arme von sich zu strecken, um sie vorsichtig abzutasten. Als er sich überzeugt hatte, dass sie nichts bei sich trug, ließ er von ihr ab, aber sie musste noch bleiben, bis alle anderen durchsucht waren. Die Leute um sie herum redeten viel und durcheinander, meist Beschwerden über das willkürliche Betragen der Franzosen und wie viel besser die Amerikaner die Deutschen behandelten, und dass sie alle doch nichts anderes wollten als überleben.
    Das drang nur diffus bis zu ihr, und es wurde Nachmittag, als sie endlich den Bahnhofsvorplatz verlassen durfte. Sie setzte sich in die nächste Straßenbahn und auf dem Weg in dem völlig überfüllten Wagen, in dem weiter über das ungebührliche und beschämende Verhalten der Besatzer erregt diskutiert wurde, fiel ihr Bauer ein, dem sie jetzt begegnen musste. Sie konnte nicht ewig durch die Straßen laufen.
    Sie verließ den Straßenbahnwagen schon eine Haltestelle früher, lief an der Hauptstraße entlang und war nicht mehr weit vom Ortsrand und ihrem Häuschen entfernt, als sie zwei Männer sah, die miteinander sprachen. Der eine war eindeutig Neubert. Er redete und stemmte dabei seine Arme in die Hüften. Es wirkte lächerlich, aus der Entfernung, dachte Dorle, und sie drückte sich näher an das Haus, neben dem sie stand. Langsam ging sie ein paar Schritte auf die beiden Männer zu, um etwas von dem Wortwechsel zu verstehen. Sie konnte erkennen, dass der andere Mann seinen Rücken durchdrückte. Sie kannte ihn, eine Ahnung durchdrang sie. Vorsichtig tastete sie sich weiter vor und nutzte ein vorstehendes Mauerstück, um nicht entdeckt zu werden. Neubert schrieb jetzt etwas auf einen Zettel, den er dem Mann in die Hand drückte. Beim Einstecken des Papiers drehte der sich etwas zur Seite.
    Dorle erschrak beim Anblick des Mannes. Es war der Polizist, dieser Kommissar, und im gleichen Moment glaubte sie wieder seinen Geruch in der Nase zu haben, genau wie vor einigen Wochen – oder waren es schon Monate –, als sie in der Bäckerei zusammen mit ihm hingefallen war und ihm kurz sehr nahe gewesen war.
    Schnell wandte sie sich ab und eilte in die Richtung fort, aus der sie gekommen war.
    Nach Hause wollte sie jetzt nicht. Stattdessen eilte sie zum Friedhof. Was wollte Neubert von diesem Kommissar? Was hatten sie miteinander zu tun? Ging es um sie? War der Kommissar ihr auf die Schliche gekommen? Und – was dachte der Mann jetzt von ihr? Neubert würde nur Schlechtes, auf jeden Fall Anzügliches und Frivoles über sie erzählen.
    Auf dem Friedhof hielt sie lange Zwiesprache mit Rolf.

1. – 13. Juli 1946
    XVII
    Koch saß am Montagmorgen in seinem Büro und starrte auf die

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