Unter Trümmern
Name etwas?“ Kochs Stimme wurde schärfer.
Für einen kurzen Moment wurde Hartmanns Blick klar, dann nickte er kaum merklich.
„Er ist ihr Chef. Weiß er von dem Überfall?“
Hartmann schüttelte seinen Kopf. Das schien ihn so angestrengt zu haben, dass er laut ausatmete und die Augen schloss.
„Weiß nicht …“, begann er wieder zu stammeln. „Schmerzen …“
„Ich bitte Sie, Herr Hartmann“, fuhr Koch ihn an und beugte sich über den Mann. „Sie haben einen Menschen auf dem Gewissen und Sie spielen mir hier etwas vor …“
In dem Moment wurde die Tür aufgerissen. Ein Mann in einem weißen Kittel stürzte auf Koch zu.
„Der Mann spielt Ihnen nichts vor! Wer hat Sie hier hereingelassen?“
Koch ermahnte sich zur Ruhe. Er griff in seine Manteltasche, nahm nochmals seinen Ausweis heraus und hielt ihn dem Arzt unter die Nase.
„Die Schwester am Eingang hatte Ihnen doch gesagt, dass Sie sich bei mir melden sollen.“
„Der Mann ist ein Mörder.“ Koch ignorierte den Einwand des Arztes. „Fünf Tage liegt die Tat schon zurück. Ich muss den Mann verhören.“
„Aber nicht in dem Zustand. Und schon gar nicht ohne mein Beisein. Er ist schwer verletzt, wir sind froh, wenn er überhaupt durchkommt. Jede Aufregung könnte meinem Patienten schaden. Wenn Sie also wirklich ein Interesse haben, von dem Mann etwas zu erfahren, müssen Sie warten, bis es ihm wieder besser geht. Und jetzt verlassen Sie bitte das Zimmer!“
Einen Moment lang fürchtete Koch, dass er die Nerven verlieren und sich vergessen würde. Er ballte seine Fäuste in der Manteltasche. Doch rasch hatte er sich wieder in der Gewalt und verließ grußlos das Zimmer, durchquerte den Flur und stürzte die Treppe ins Erdgeschoss herunter. Den Mann mit der Schiebermütze und dem dunklen Mantel, der ihm entgegenkam, nahm er kaum wahr. Er war viel zu sehr mit seinem Ärger beschäftigt.
Wie in Trance rannte er in Richtung Altstadt und übersah am Schillerplatz einen französischen Militärtransporter, der ihn fast überfahren hätte. Der Fahrer schickte ihm einen Fluch hinterher, er antwortete entsprechend auf Französisch, was zu seinem Glück von dem lauten Motorengeräusch übertönt wurde. In der Gaustraße verlangsamte er seine Schritte. Er wollte nicht so aufgewühlt in der Polizeidirektion ankommen.
Dort war noch nicht viel los an diesem Mittwochvormittag. Die Gänge waren leer, nur vereinzelt hallten Stimmen durch den kahlen Flur.
Er sah kurz in die Kammer, die sein Büro war, hinein, und fand einen Zettel auf seinem Schreibtisch vor. „Erfolgreich gewesen bei Brunner?“, stand da in einer bemerkenswert runden Schrift, darunter die Initialen „G.R.“
Einen Moment lang verharrte Koch vor seinem Schreibtisch, dachte nach und verließ den Raum.
Zu seiner Überraschung war Reuber schon da, aber er sah gar nicht gut aus. Seine Gesichtsfarbe war fahl und er hatte Ringe unter den Augen.
„Sagen Sie nichts!“, begrüßte er Koch, als der in der Tür stand, „ich weiß, ich sehe beschissen aus. Die erste Fastnacht, die hätte ich langsamer angehen müssen.“
Ein müdes Lächeln quälte sich auf Kochs Gesicht.
„Sie wollen wissen, wie es bei Brunner war?“, fragte er. „Glatt und sehr selbstsicher ist der Mann“, fügte er gleich hinzu.
Reuber nickte zustimmend. „Habe ich mir gedacht.“ Er nahm das Glas, das vor ihm stand, und trank es in einem Zug leer.
„Zu wenig Wasser und zu viel Alkohol gestern“, sagte er, nachdem er das Glas abgesetzt hatte. „Was haben Sie jetzt vor?“
„Ich bin eben bei Hartmann gewesen.“
„Hartmann?“, fragte Reuber und machte, wie Koch fand, ein ziemlich dämliches Gesicht.
„Brunners Mann. Der beim Überfall verletzt wurde.“
„Ach ja. Und?“
„Nichts und! Angeblich ist er so schwer verletzt, dass ich ihn nicht verhören darf. Der Arzt hat mir verboten, mit ihm zu sprechen.“
Jetzt huschte ein Lächeln über Reubers Gesicht. „In Ihnen brennt ein Feuer.“
Nun war es an Koch verständnislos zu schauen.
„Sehen Sie zu, dass Sie sich nicht verbrennen“, war alles, was er als Erklärung zu hören bekam, wobei sich Reuber mit den Fingern beider Hände seine Schläfen massierte.
Als er Reubers Büro verlassen hatte und auf dem Weg zu seiner Kammer war, kam ihm auf dem Gang ein Mann entgegengelaufen.
„Herr Koch“, sagte der ganz aufgeregt. „Ich suche Sie schon. Sie sollen zu Herrn Arnheim kommen.“
Bernd Arnheim war Kochs direkter Vorgesetzter, ein ehemaliger
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