Unter Trümmern
wo sie die Tasche mit dem Fleisch abgelegt hatte. In der Küche packte sie alles aus, dabei fiel ihr das blutige Messer, mit dem sie Peter erstochen hatte, in die Hand. Einige Sekunden betrachtete sie es, bevor sie es wütend in das Spülbecken warf und es mit kaltem Wasser sauber wusch. Danach schob sie es in die Schublade, ganz nach hinten, wo sie es nicht mehr sehen musste.
Sie begann mit der Zubereitung. Gegen Mittag war sie mit allem fertig. Die Fleischbrühe kochte auf dem alten Herd, die fertig gerollten Lewwerknepp lagen auf dem kleinen Tisch. Jetzt musste sie Geduld haben. Immer wieder ging sie zu ihrem Sohn, versorgte ihn, der an diesem Tag sein Bett nicht verließ.
Pünktlich stand sie am Dienstagabend mit dem schweren Topf und einer Tasche vor Brunners Haus. Mit unbewegter Miene bat der Hausherr sie hinein und wies ihr den Weg in die Küche, wo der Herd schon angeheizt war und eine ältere Frau, die Klara gerufen wurde und Kartoffeln schälte, sie mit misstrauischem Blick empfing. Sie stellte den Topf mit der Fleischbrühe auf den Herd und nahm aus ihrer Tasche die gerollten Lewwerknepp und breitete sie auf der Anrichte aus, um sie anschließend in die kochende Brühe zu werfen.
Sie füllte die fertigen Lewwerknepp selbst in die Teller und wollte sie auch selbst servieren, aber das untersagte Klara ihr. Also war Dorle ihr bis zur Tür ins Speisezimmer gefolgt, weil sie fürchtete, dass die andere ihr aus Neid oder Missgunst die Lewwerknepp versalzen würde. Und dann wäre alles umsonst gewesen.
Sie konnte nur einen schnellen Blick in das Zimmer werfen, in dem die Männer um den großen Holztisch saßen und zufrieden aus tiefen Tellern die Lewwerknepp aßen. Trotz des verlockenden Duftes hatte Dorle keinen Hunger. Sie würde warten, bis Brunner zu ihr kam, um ihr die Medikamente zu geben. Sie war sich sicher, dass sie sie bekommen würde. Klara zog sie von der Tür weg, gab ihr stumm ein Zeichen zu verschwinden.
So wartete Dorle in Brunners Küche, schlich sich immer wieder vor die Tür zum Speisezimmer, lauschte, hörte lautes Lachen, Wortfetzen und das Klirren von Gläsern, die aneinander gestoßen wurden, um bald darauf von der Alten in die Küche zurückgetrieben zu werden. Einmal klopfte es an der Tür, sie hörte die schweren Schritte von Stiefeln, aber Klara verhinderte, dass sie nachschaute, wer da kam.
Dorle wollte sich nicht ausmalen, welche Qualen Rolf in dieser Zeit litt. Sie hätte Franzi bitten können, nach dem Rechten zu sehen, aber dann hätte sie ihrer Freundin erklären müssen, wohin sie ging und warum. Franzi hätte wissen wollen, woher sie das Fleisch hatte. Und irgendwann, dessen war Dorle sich sicher, würde der tote Peter gefunden werden. Und so dumm war Franzi nicht, dass sie da nicht gleich die Verbindung erkannte. Also hatte sie Rolf alleine lassen müssen und das beunruhigte sie von Minute zu Minute mehr.
Endlich, es war schon nach neun Uhr, hörte sie das Rücken eines Stuhls. Schnell lief Dorle zurück in die Küche. Schon streckte Brunner seinen Kopf durch die Tür. Er musste nichts sagen. Ein Blick genügte, dass sie verstand und nach draußen in den Flur kam. Er sah sie streng an, sekundenlang und ihr wurde angst und bange.
Ganz langsam, wie in Zeitlupe, verzog sich sein Mund zu einem Lächeln.
„Bravo!“, sagte er und stieß ihr dabei einen Schwall weinsauren Geruchs entgegen. „Capitaine Jarrés haben deine Lewwerknepp hervorragend geschmeckt.“
Eine warme Welle durchfuhr Dorle, doch nur kurz, denn Brunners Lächeln spiegelte sich nicht in seinen Augen.
„Du weißt, dass heute Abend der Sohn vom Gerber Jupp tot aufgefunden wurde? Der Capitaine hat es eben erfahren. Die Polizei sucht schon nach dem Mörder.“
Dorle schüttelte stumm und mit weit aufgerissenen Augen den Kopf. Alles umsonst? War alles umsonst gewesen? Es war alles vergebens gewesen, schoss es ihr durch den Kopf.
„Mit einem Messer erstochen.“
Wieder sah er die Frau durchdringend an.
„Das Komische ist, dass nichts fehlt.“ Er machte eine Pause. „Kannst du dir das erklären?“
Noch immer unfähig einen klaren Gedanken zu fassen, schüttelte Dorle ihren Kopf. Alles umsonst! Alles umsonst! Am liebsten wäre sie jetzt einfach losgerannt. Aber wohin? Sie konnte sich nicht bewegen und wartete, dass Brunner die Polizei rief oder sie diesem Capitaine übergab.
Stattdessen griff Brunner in die Tasche seines Jacketts und reichte ihr mehrere kleine Pappschachteln.
„Was ist?“, fragte
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