Unter Trümmern
verschluckte.
„Ich kenne auch alle Rennfahrer. Nuvolari ist mein Idol. Aber auch Rosemeyer. Und Carraciola. Eigentlich alle. Aber Nuvolari ist der Größte. Wenn ich mal genug Geld habe, werde ich ihn in Italien besuchen.“
„Ja, aber jetzt haben wir erst einmal hier einen Fall zu lösen.“
Jörg, der Mechaniker, den Koch schon bei seinem letzten Besuch kennen gelernt hatte, kam auf die beiden Männer zu.
„Was kann ich Ihnen anbieten?“
„Einen Wagen, mit dem man sich nicht dem Gespött der Leute aussetzt“, antwortete Koch.
„Gespött? Hat jemand über unseren schönen Adler Trumpf Junior gespottet? Das ist nicht fair. Das Auto gewinnt im Moment vielleicht keinen Schönheitswettbewerb, aber es ist in Ordnung.“
„Der 315“, ging Siggi dazwischen. „Du hast doch noch den BMW 315. Wenn wir den haben könnten?“
„Siggi, Siggi, als du den das letzte Mal zurückgebracht hast, hätte der auch nach 2.000 Kilometern durch Deutschland nicht schlimmer aussehen können. Ist unser Sahnestück.“
„Das war nicht ich!“, rechtfertigte sich Siggi. „Da war dieser Militärtransporter, der einfach losgefahren ist … Und es war ja nur eine Schramme.“
„Eine Schramme“, lachte der Mechaniker, „die dreißig Zentimeter lang und vor allem einige Millimeter tief war. Weißt du, wie lange die Jungs daran gearbeitet haben?“
Siggi machte eine Geste, die anzeigte, dass er das nicht für wichtig hielt.
„Vor dem Krieg vielleicht ein Tag Arbeit. Da gab es auch das richtige Werkzeug, die richtigen Ersatzteile, Grundierung und Lack. Aber jetzt … Siggi, Siggi. Unser deutscher Nuvolari. Sie wissen, dass unser Siggi ein heimlicher Rennfahrer ist, Herr Kommissar?“, wandte er sich Koch zu.
Der nickte. „Also, welcher Wagen?“, fragte er trocken. Er wollte los. In seiner Hand hielt er das Blatt Papier, das Arnheim ihm gereicht hatte, auf dem die Adresse des Toten in Gonsenheim notiert war.
„Ist ja gut“, wiegelte Jörg ab. „Ist der BMW für Sie in Ordnung, Herr Kommissar?“, wandte er sich an Koch.
Der nickte stumm seine Zustimmung und erhielt dafür von Siggi ein freudestrahlendes Lächeln.
„Manfred, hol mal den 315er raus“, rief Jörg nach hinten.
„Den 315er?“, kam es von dort zurück. „Will etwa Siggi … nein …“
„Los, mach schon, der Herr Kommissar wird schon ganz ungeduldig.“
„Ist ja gut.“
Kurz darauf erfüllte das Aufheulen eines Motors die Halle.
„Nicht so viel Gas!“, schrie Siggi entsetzt. „Der Motor ist doch noch kalt.“ Er war bei dem Lärm kaum zu verstehen.
Koch ging schnell mit Jörg ins Büro, um sich ins Fahrtenbuch einzutragen. Draußen wartete Siggi schon hinter dem Steuer auf ihn, beide Hände auf das Holzlenkrad gelegt.
„Auf geht’s!“, sagte er und ließ die Kupplung kommen. Jörg, der neben dem geöffneten Tor stand, sprang zur Seite und schwang seine geballte Faust.
„Es ist glatt“, warnte Koch seinen Fahrer, aber der nickte nur und sah starr geradeaus.
„Wo soll es denn hingehen, Herr Koch?“, fragte er.
„Gonsenheim. Hauptstraße“, klärte der ihn nach einem Blick auf den Zettel auf.
„Ich freue mich sehr, mit Ihnen arbeiten zu dürfen“, begann Siggi und er klang für einen Menschen mit Kochs Temperament unnatürlich enthusiastisch.
„Sicher?“, fragte er zurück.
„Natürlich“, sprudelte es aus Siggi heraus, der kurz seinen Blick von der Straße nahm und zu seinem Beifahrer herübersah.
Koch machte eine längere Pause, bevor er weitersprach. „Siggi, Sie wissen, dass der Umgang mit mir nicht unbedingt förderlich für die Karriere ist?!“
Das war mehr eine Feststellung als eine Frage.
Siggi ging darauf nicht ein. „Ich will ein guter Polizist werden“, erwiderte er. „Und ich glaube, bei Ihnen kann ich das lernen.“
Koch verkniff sich eine sarkastische Bemerkung und grübelte darüber, ob er dem jungen Mann vertrauen konnte oder ob er ihm als Spitzel zugeteilt worden war.
Immerhin merkte Koch schnell, dass Siggi ein guter und sicherer Fahrer war.
In der Hauptstraße war es nicht schwer, den Hof der Gerbers zu finden. Vor dem Tor hatten sich mindestens zwanzig Leute versammelt, die wild miteinander zu diskutieren schienen.
„Hat sich schon rumgesprochen“, bemerkte Koch und wies Siggi an, ein kleines Stück entfernt anzuhalten.
Neugierig wurden sie von den Umstehenden betrachtet. Einem Kollegen in der Uniform der Ordnungspolizei, der am Tor stand und darauf achtete, dass niemand Unbefugtes ins
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