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Unter Trümmern

Unter Trümmern

Titel: Unter Trümmern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Heimbach
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Zufall? Ich glaube nicht. Es werden immer mehr Zufälle, sodass sie mit jedem weiteren unwahrscheinlicher werden.“
    „Das sind alles nur Überlegungen, mein lieber Koch, das reicht für gar nichts.“
    „Ich weiß“, stimmte der ihm zu und seine Augen blitzten. „Das macht mich auch verrückt. Wo können wir ansetzen?“
    Einen Moment schwiegen die drei Männer.
    „Ich schlage vor“, sagte Koch, „dass wir zum einen herausbekommen müssen, ob die Teile von dem Mercedes, die wir bei Gerber gefunden haben, tatsächlich zu dem Wagen gehören, der bei Brunner in der Garage steht. Das würde uns ein ganzes Stück weiterbringen.“
    „Das habe ich ganz vergessen“, rief Siggi aus und schlug sich mit der flachen Hand an die Stirn. An den Autoteilen aus Gerbers Scheune sind keine Fingerabdrücke. Entschuldigung, das habe ich …“
    „Schon gut, Siggi“, wiegelte Koch, „kann passieren, ändert ja auch nichts an dem Ergebnis. Die Teile alleine nutzen uns nichts.“
    Siggi nickte, froh, dass sein Chef ihm keinen Vorwurf machte. Er rutschte nervös auf seinem Platz hin und her, sein Gesicht war vom Alkohol gerötet, da Koch oder Reuber ständig die Gläser nachfüllten.
    „Wir müssen an Brunners Mitarbeitern dranbleiben“, sagte Koch. „Ich schlage vor, dass Sie, Siggi, Glodkowski und Hafner beobachten. Tagesablauf, mit wem treffen sie sich, welche Geschäfte laufen über diese Halle, was machen die beiden Galgenvögel abends. Trauen Sie sich das zu? Ich fürchte, dass Sie das alleine machen müssen.“
    Siggi nickte begeistert. „Aber klar …“ Er rutschte wieder auf seinem Platz hin und her.
    „Was ist denn?“, fragte Koch.
    „Ich muss mal … wo ist denn die Toilette?“
    „Draußen, im Flur, halbe Treppe runter, rechts. Sie nehmen sich am besten einen Eimer Wasser aus der Wohnung mit. In der Küche steht der.“
    Siggi stand auf, wankte gehörig und ging nach nebenan.
    „Und Vorsicht vor freilaufenden Frauen!“, rief ihm Reuber nach und lachte.
    Kurz darauf zeigte ein kühler Windstoß an, dass der Junge im Treppenhaus war.
    „Sagen Sie mal, Koch“, begann Reuber, „Ihr Vater, der war doch Kommunist und wurde von den Nazis umgebracht …“
    Kochs Gesicht verdüsterte sich. Er nickte.
    „Wissen Sie, wo er beerdigt ist?“
    Er schüttelte den Kopf.
    „Keine Ahnung?“
    „Keine!“
    „Und wollen Sie es rausfinden? Ich weiß, es ist schwer.“
    „Nein“, antwortete er knapp.
    „Das Vergessen fällt leichter, wenn …“
    „Ich will nicht vergessen“, unterbrach ihn Koch und seine Stimme klang bitter. „Wir dürfen nicht vergessen.“
    „Aber wie sollen wir neu beginnen, wenn wir nicht vergessen?“
    „Warum schließt sich das denn aus?“ Koch sah sein Gegenüber angriffslustig an. „Wenn wir weitermachen, als wäre nichts geschehen, waren alle Opfer umsonst. Alles Leiden. All die Toten.“
    Ein Schlag und ein Schrei rissen die beiden Männer aus ihrem Gespräch. Sie sprangen sofort auf und eilten in den Flur, wo Siggi lang ausgestreckt auf dem Boden lag und sich den Kopf hielt.
    „Ich glaube“, stammelte er, „ich gehe jetzt besser …“
    Die beiden Männer sahen sich an. „Nix da“, entschied Koch. „In dem Zustand … Sie schlafen hier auf dem Sofa. Reuber, Sie können auch …“
    „Ich bin noch gut zu Fuß. Danke, Koch. Ich werde dann mal …“
    Sie verabschiedeten sich schnell und Koch machte für Siggi das Sofa zurecht.
    Koch lag noch eine Weile wach und dachte über das Gespräch mit Reuber nach.
    Der nächste Tag in der Polizeidirektion begann mit einer „guten“ Nachricht: Das Blut auf dem Boden in Gerbers Kellerversteck stammte nachweislich von einem menschlichen Körper. Koch streckte sich auf seinem Stuhl aus und nahm einen Schluck von dem Kaffeeersatz. Heute Morgen war er nur schwer aus dem Bett gekommen, und Siggi zu wecken, der die ganze Nacht laut geschnarcht hatte, war ein zeitraubendes Unterfangen gewesen. Ob Émile später einmal auch so ein Langschläfer werden würde, der sich nach jedem Weckversuch einfach umdrehen und weiterschlafen würde? Als Koch noch mit seinem Sohn auf dem Bauernhof gelebt hatte, hatte dieser ihn durch ständiges nächtliches Schreien gequält und spätestens um sechs oder halb sieben in der Frühe war Schluss gewesen mit der Nachtruhe.
    An diesem Morgen hatte der Frühling mächtig Einzug gehalten, die ersten Blätter und Knospen zeigten sich an den wenigen Bäumen, die das heimliche Abschlagen im letzten Winter überlebt

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