Unter Trümmern
für ihn gehabt, fügte Gerber hinzu, Peter konnte die Fahrzeuge auf dem Hof reparieren und er das Geld für die teuren Mechaniker sparen.
Das Blut auf dem Boden in dem Keller war ihm selbst ein Rätsel, er hatte keine Ahnung, woher es kam. Dass es Menschenblut war, konnte er sich nur damit erklären, dass sich Peter vielleicht beim Arbeiten verletzt hatte. Gerber blieb dabei, dass er einen Einbrecher für den Mord verantwortlich hielt. Brunner, erklärte er auf Kochs Nachfrage, kenne er vom Sehen und weil er ihm einmal ein Stück Land verkauft habe, auf dem Brunner eine Halle gebaut hatte.
So ging das hin und her, Gerber hatte auf alle Fragen eine mehr oder minder plausible Antwort.
Koch fluchte, als er wieder allein war. Keine neue Spur, keine Verbindung zwischen Brunner und Gerber, kein Motiv für den Mord an Peter Gerber. Was blieb, war, dass das Blut auf dem Boden von Peter Gerber stammen könnte. Um das herauszufinden, setzte er sich erneut über Arnheims Anordnung hinweg und gab einen Blutgruppenvergleich in Auftrag.
Am Nachmittag meldete sich Siggi, der nichts Verdächtiges von Glodkowski und Hafner zu berichten wusste. Tagsüber hatten sie in der Halle und auf einer Baustelle gearbeitet, den Abend zusammen in einer heruntergekommenen Kneipe in Mombach verbracht, die sie gegen einundzwanzig Uhr verlassen hatten. In der Dunkelheit hatte er ihre Spur verloren, worüber er ein sehr betrübtes Gesicht machte. Er würde es wettmachen, versprach er, als er loszog, um die beiden Männer weiter zu beobachten.
Am Samstagvormittag suchte Koch das Labor auf, um nach dem Ergebnis des Blutgruppenvergleichs zu fragen. Der einbeinige Mann in dem fleckigen Kittel lachte, als er seine Frage gestellt hatte.
„Sie haben das Blut doch erst gestern gebracht. Und heute wollen Sie schon Ergebnisse?“ Er lachte laut, drehte sich um und ließ den Kommissar konsterniert in dem kleinen Vorraum zu dem Labor zurück.
Als er abends, frustriert und müde, seine Wohnungstür aufschloss, war er froh, das Knarren der Tür in seinem Rücken zu hören.
„Na Puhler, später einen Absacker. Ich bin auch allein, versprochen!“
Koch drehte sich um und nickte seinem Nachbarn ernst zu.
Am Sonntag schlief er seinen Rausch aus. Lange hatte er bei Bresson gesessen, lange hatten sie geschwiegen, bis der Nachbar anfing zu erzählen, so unvermittelt, dass Koch es zunächst gar nicht mitbekam.
Er wusste auch nicht, was den Nachbarn dazu veranlasste zu reden. Der Alkohol konnte es nicht sein. Sie tranken nicht mehr als sonst auch.
„Wir sind so was wie Kollegen“, begann er.
Koch hatte sein halbvolles Glas gerade an den Mund geführt. Er setzte es wieder ab.
„Wie bitte?“
Es fiel Bresson schwer zu sprechen.
„Wir sind … das heißt … wir waren Kollegen. Ich …“
Koch wusste nicht, ob er Bressons Beichte hören wollte. Und dass es eine Beichte werden würde, dessen war er sich sicher. Für diese Nuancen hatte er ein Gespür.
Bresson leerte sein halbvolles Glas in einem Zug.
„Ich bin schon Anfang ’33 eingesperrt worden. Man hat mich nach Osthofen gebracht. Nicht weit von hier. Lager. Meine französische Herkunft, irgendwann früher mal Juden im Stammbaum, bevor sie konvertiert sind, Künstler. Und eine falsche Bemerkung reichte, jemand, der meine Wohnung wollte. So schnell geht das.“
Koch nickte, wartete, was nun folgen würde.
„Als die im Lager mitbekommen haben, dass ich Photograph bin, wurde ich abkommandiert. Gefangene ablichten.“
Wieder machte Bresson eine Pause. Koch spürte, wie schwer es dem Mann fiel zu sprechen. Aber ihm fiel es genauso schwer zuzuhören. Er musste gegen den Drang, einfach aufzustehen und sich in seiner Wohnung einzuschließen, ankämpfen. Er ahnte, dass etwas kommen würde, das er vielleicht nicht hören wollte.
„Juden, Schwule, Verbrecher und …“
„Politische“, ergänzte Koch.
Bresson nickte verschämt. „Ja. Politische. Kommunisten.“
Koch saß wie festgenagelt. „Geh!“, sagte er sich. „Geh rüber! In deine Wohnung! Sofort!“ Aber er konnte nicht. Eine unsichtbare Hand drückte ihn mit Gewalt in den Sessel.
„Einer der Männer, die ich photographierte … ich meine, einer von den Politischen, ein Kommunist, hieß …“
Koch öffnete seinen Mund, aber er brachte keinen Laut zustande.
Bresson schlug seine Hände vors Gesicht. „Erwin Koch.“
Koch starrte den Mann an, immer noch unfähig, ein Wort zu sagen. Aber sein Blick genügte, dass Bresson wusste, dass
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