Unter Trümmern
Blick.
„Ich habe das von Rolf gehört. Ist Dorle da?“
Franzi zögerte einen Moment, dann trat sie zur Seite, um die alte Frau durchzulassen.
Leicht vornübergebeugt schlurfte sie zum Haus, dessen Tür offen stand und sprach Dorle ihr Beileid aus. Die nickte stumm und bot der Besucherin eine Tasse Tee an, die diese aber ablehnte.
„Trink du!“, sagte sie und drehte sich in der Tür noch einmal um.
„Wann ist die Beerdigung?“
Dorle sah auf. „Ich weiß noch nicht“, war alles, was sie dazu sagen konnte.
„Sag mir Bescheid, wenn der Termin feststeht.“
Mit diesen Worten verließ die Alte das Haus und blieb draußen kurz bei Franzi stehen.
„Gut, dass du dich kümmerst.“
Mit diesen Worten ging sie endgültig.
In den nächsten zwei Stunden, selbst als es schon dunkel war, kamen andere Nachbarn, um Dorle ihr Bedauern auszusprechen.
Franzi war da schon wieder bei ihrer Familie und Dorle verbrachte den Abend lange an Rolfs Seite. Die Vorstellung, ihn nicht auf einem Friedhof beerdigen zu können, war schrecklich für sie. Selbst Franzi, die Praktische und die Optimistische, hatte sehr verhalten geklungen, als sie noch zusammen überlegten, wie sie den Pfarrer umstimmen könnten.
27. März – 7. April 1946
XI
Koch schob seinen Schlüssel ins Schloss, als die Tür in seinem Rücken geöffnet wurde.
„He Puhler, einen Absacker heute Abend?“
Er drehte sich um. Wieder diese dämliche Anrede. Bresson stand da in einem verschmutzten Unterhemd und lachte ihn auffordernd an.
Koch schüttelte den Kopf.
„Die Sache letztens ist vergessen.“
„Danke. Aber trotzdem. Ich bekomme Besuch.“
„Olala. Der kann doch mitkommen. Ich …“
„Sie halten besser den Mund, sonst werde ich doch noch sauer“, unterbrach ihn Koch.
„Ganz wie Sie wollen. Übrigens: Haben Sie den Kerl schon?“
Koch sah ihn fragend an.
„Na, den, der bei Ihnen eingebrochen ist. Der mit dem Verband um den Kopf.“ Bresson fuhr sich mit der rechten Hand um den Kopf.
„Nein, wie auch. Trägt heutzutage doch fast jeder.“
„Fast ne Mode, stimmt. Bis bald.“
„Eine Sache …“, Koch überlegte, ob er das fragen konnte. „Haben Sie vielleicht noch ne Flasche übrig? Für meinen Besuch, meine ich. Ich bezahle sie Ihnen auch.“
Wortlos drehte sich Bresson um und verschwand in seiner Wohnung. Keine Minute später kam er mit einer Flasche zurück und reichte sie seinem Nachbarn.
„Ist schon gut“, wehrte Bresson ab, als Koch sein Portemonnaie zückte.
Koch bedankte sich und nickte dem Mann zum Abschied zu, drehte den Schlüssel um und verschwand in seiner Wohnung.
Gegen sieben kam Reuber, kurz darauf Siggi, dessen Kopf rot glühte.
„Was ist denn mit Ihnen los?“, lachte Reuber. „So kalt ist es doch nicht mehr.“
Die drei standen in der Diele, noch in ihren Mänteln.
Siggi zierte sich mit der Antwort, sah nur kurz zur Eingangstür.
„Na los, hatten Sie eine Erscheinung?“
Langsam gewann das Gesicht des jungen Polizisten wieder seine normale Gesichtsfarbe.
„Ich habe zuerst gedacht …“, begann er und stockte.
„Ja, was denn?“, hakte Koch nach, der ahnte, was kommen würde.
„Da war eine Dame … na ja …“
„Sie haben sich verliebt?“ Reuber machte sich einen Spaß daraus, Siggi aufzuziehen.
„Nein, nein!“, wehrte der heftig ab, „das doch nicht!“ Er wurde wieder rot.
„Eine Frau ist kein Auto“, setzte Reuber nach.
Koch schaltete sich ein, machte dabei Reuber ein Zeichen, es nicht zu weit zu treiben. „Sie haben eine Dame gesehen, Siggi?“
„Ja.“ Er machte eine Pause. „Das heißt, eine Dame …“
„Die Dame war nicht ganz, wie Sie sich eine Dame vorstellen?“
„Ja, so ungefähr …“ Siggi hatte seine rote Gesichtsfarbe nicht abgelegt.
„Aber trotzdem war die Dame nicht ganz unattraktiv?“
Siggi sah nach unten und nickte.
„Koch, jetzt sagen Sie nicht, dass das hier ein verkapptes Bordell ist?“, schaltete sich Reuber ein.
„Bordell nicht, nein“, erwiderte der. „Aber ich habe einen Nachbarn, der sich seinen Lebensunterhalt mit nicht ganz züchtigen Bildern verdient und einen gewissen Markt damit bedient.“
„Aber das ist doch verboten …“, erregte sich Siggi.
„Ja, aber es gibt Schlimmeres, glaube ich“, entgegnete Reuber.
„Ich weiß nicht …“, wollte Koch einwenden, besann sich aber. „Im Moment gibt es wichtigere Dinge, um die wir uns mehr kümmern müssen, als um einen Photographen, der seinen Unterhalt und den von ein paar
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