Unter Trümmern
Schlägereien fallen nicht darunter. Zu allem Überfluss war auch noch ein französischer Kollege Zeuge des Vorfalls.
„Ich möchte …“
„Koch, bitte! Ich weiß nicht, wo man Ihnen beigebracht hat, dass man seinen Vorgesetzten unterbrechen darf. Hier jedenfalls nicht.“
Koch machte seinem Namen alle Ehre. Er kochte und es fehlte nicht viel, dass er explodierte.
„Damit ist es gut. Ich meine, diese Sache.“
Koch traute dem Frieden nicht. Und er hatte Recht.
„Ich bin aber noch nicht fertig. Dass Sie sich hinter meinem Rücken die Erlaubnis für eine Hausdurchsuchung geben lassen und mich wie einen Idioten vor dem Polizeidirektor aussehen lassen, ist schon Schweinerei genug. Dass Sie aber auch noch die Unverschämtheit besitzen, mich von den Ergebnissen nicht in Kenntnis zu setzen und ohne mein Einverständnis eine Blutuntersuchung in Auftrag geben, wo wir, was Sie ganz genau wissen, im Moment für solche Mätzchen keine Kapazitäten haben, das setzt der Sache die Krone auf. Ich bin Ihr Vorgesetzter und ich erwartete, dass Sie das respektieren. Sie sind nichts Besseres oder Schlechteres als die anderen Kollegen hier und haben sich wie alle an die Spielregeln zu halten. Zudem glaubte ich, dass der Fall Gerber klar war. Ein Einbrecher, der gestellt wurde.“
„So einfach …“
„Unterbrechen Sie mich nicht, Koch, ich bin noch nicht fertig. Wenn Sie anderer Meinung sind, beweisen Sie das, aber schnell. Ich will keine Spekulationen, ich will Ergebnisse. Ich kann meine Leute nicht wegen so einer Sache ewig binden.“
Koch unternahm einen weiteren Versuch. „Mord ist nicht ‚so eine Sache‘.“
„Dieser schon. Und in dieser Zeit sowieso. Und was soll diese Blutuntersuchung?“
„Wir haben ein Geheimversteck gefunden und darin eine Blutlache. Menschliches Blut.“
„Kann viele Ursachen haben.“
„Ja, aber eben auch Mord.“
„Koch, übertreiben Sie es nicht. Sehen Sie zu, dass Sie möglichst bald Ergebnisse haben. Und seien Sie froh, dass Sie Falters Protektion genießen. Aber überspannen Sie den Bogen nicht!“
Koch verstand das als Aufforderung zu gehen. Er erhob sich, verabschiedete sich von Arnheim und verließ das Zimmer.
Im Hof machte er seiner Wut Luft. Der Schrei war im ganzen Gebäude zu hören.
Aufgebracht zog sich Koch in sein Büro zurück und verbrachte den Rest des Tages mit Routinearbeiten. Nebenbei erkundigte er sich, was es mit Seebald auf sich hatte, und erfuhr, dass der mit gefälschten Papieren, in denen er seine Zugehörigkeit zur SS verheimlicht hatte, in den Polizeidienst aufgenommen worden war. Es war ein grundsätzliches Problem, dass es einfach zu wenige ausgebildete Polizisten gab, besonders im höheren Dienst. Daher waren die Überprüfungen bei Neueinstellungen nicht immer streng genug.
Koch setzte sich an seinen Schreibtisch und begann mit dem Schreiben des geforderten Berichtes. So wenig er irgendeinen Antrieb dazu verspürte, so sehr wusste er doch, dass mit jedem Tag, den er das heraus schob, es ihm nur noch schwerer fallen würde.
Siggi war mit der Observation von Glodkowski und Hafner beschäftigt und vor dem morgigen Tag würde er keine Nachricht von ihm erhalten. Deshalb verließ Koch um sechs Uhr die Polizeidirektion und machte einen Spaziergang über die Zitadelle an den Rhein, wo er längere Zeit am Kaisertor stehen blieb und die Alexander-M-Patch-Brücke beobachtete, eine hölzerne Behelfsbrücke, die die Stadt Mainz mit den rechtsrheinischen Stadtteilen verband. Er musste gegen seinen Willen immer wieder an das Gespräch mit Reuber über seinen Vater denken. Ob es doch ein Fehler war, sich so gar nicht um dessen Schicksal zu kümmern?
Als es anfing zu regnen, löste sich Koch vom Anblick der Brücke und ging nach Hause, wo er leise in seine Wohnung schlich, um Bresson nicht zu begegnen.
Für Freitag hatte Koch Jupp Gerber in sein Büro einbestellt. Eine Viertelstunde nach der verabredeten Zeit klopfte der Mann an seine Tür. Der Kommissar wunderte sich, wie behände der alte Mann sich mit seiner Krücke zu bewegen wusste.
Fast zwei Stunden saßen sie zusammen, aber am Ende wusste Koch nicht mehr als vorher. Gerber konnte nicht erklären, woher die Autoteile kamen. Er vermutete, dass sein toter Sohn sie gegen irgendetwas eingetauscht hatte. Warum auch immer, aber er hatte einen Technikfimmel, deshalb hatte er ja auch nicht auf dem Hof bleiben wollen, sondern in einem Industriebetrieb angefangen. Immerhin, einen Vorteil hatte dieser Fimmel
Weitere Kostenlose Bücher