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Unter Trümmern

Unter Trümmern

Titel: Unter Trümmern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Heimbach
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sein Verdacht richtig gewesen war.
    „Er ist es also gewesen. Tatsächlich.“
    Koch saß wie gelähmt da. Nun hatte ihn die Vergangenheit seines Vaters doch eingeholt. Er wusste, dass es jetzt kein Zurück mehr gab.
    „Er war ganz eigen. Nicht wie die anderen. Sie erinnern mich an ihn. Deshalb habe ich mich schon oft gefragt, ob Sie sein Sohn sind. Dieser Blick, besonders, wenn Sie wütend sind. Genau wie er. Als Sie in meine Wohnung gestürmt kamen, da hatten Sie genau diesen Blick.“ Bresson sah sein Gegenüber an, als überlegte er, ob er weiterreden solle. Aber er wusste, dass er reden musste. Er hatte damit angefangen. Jetzt musste er es zu Ende bringen.
    „Als er vor mir stand, für das Foto, da hat ihm einer der Aufseher befohlen seinen Namen zu nennen. Er hat seine linke Faust gehoben. ‚Hoch lebe die internationale Solidarität‘, rief er aus. Ganz ruhig, hat dem Aufseher in die Augen gesehen, auch als der kam und er wusste, was nun passieren würde. Genau den Blick hatten Sie auch, als Sie hier reinkamen.“
    „Wie ging es weiter?“, fragte Koch, die ersten Worte seit einer gefühlten Ewigkeit, und seine Stimme klang ihm selbst fremd.
    „Zusammengeschlagen hat Glodkowski ihn. Dem hat das Spaß gemacht. Dabei war der selbst ein Verbrecher. Aber er wollte beweisen, dass sie sich auf ihn verlassen konnten. Dass er besser und gewissenhafter als die anderen war.“
    Bresson hatte zunächst nicht bemerkt, dass Koch bei der Nennung des Namens erstarrt war.
    „Was ist?“, fragte er, als er den Satz beendet hatte.
    „Wie war der Name?“, fragte Koch tonlos.
    „Glodkowski. Klaus Glodkowski. Hatte vor der Zeit der Braunen einige Brüche gemacht. Ist deswegen ins Lager gekommen. Die wollten den umerziehen.“
    Wortlos stand Koch auf, so heftig, dass er sein Glas umwarf, und verließ die Wohnung seines Nachbarn. Der war über diese Reaktion so erstaunt, dass er einige Sekunden lang sitzen blieb, dann aufstand und dem Kommissar über den Flur folgte.
    „Koch!“, rief er und klopfte gegen dessen Tür.
    Er wusste, dass der ihm nicht öffnen würde.
    Glodkowski. Glodkowski. Glodkowski. Koch sprach den Namen des Peinigers und möglicherweise Mörders seines Vaters immer wieder aus. Er schlief in dieser Nacht keine Sekunde. Er wusste nicht, was er machen sollte. Zum Bahnhof, den nächsten Zug nehmen, weit weg. Frankreich? Oder anderswohin? Irgendwohin, wo er keine Vergangenheit hatte, wo ihn nichts erinnern und nichts einholen konnte?
    Er verfluchte seinen Vater, diesen Dickkopf, dem die Partei alles war, der sie über seine Familie, sogar über sein eigenes Leben gestellt hatte. Die Partei hatte immer Recht, auch wenn sie so offensichtlich Unrecht hatte. Bilder aus Spanien stiegen wieder auf. Die feigen Ermordungen der Anarchisten und Sozialisten durch die moskautreuen Kommunisten.
    Hatte irgendetwas einen Sinn? Idealismus? Die Menschen, die im Kampf gegen Hitler gefallen waren, ermordet worden waren. Nur, damit sich nichts änderte, damit es ganz genauso weiterging, damit die, die stillgehalten oder mitgemacht hatten, jetzt den Ertrag einfuhren? Ihm wurde wieder speiübel. Weg! Er musste weg! Aber dieses Mal war der Gedanke, dass es anderswo, ob in Frankreich oder in einem anderen Land, anders sein würde, schal. Es waren die Menschen, auf die es ankam. Nicht das Land. Und die Menschen waren überall korrumpierbar.
    Die Nacht und den nächsten Tag verbrachte Koch in einer Art Delirium, dachte nach, verwarf Ideen und Pläne, entschloss sich, ein paar Tage Urlaub zu nehmen, um sich über sich selbst und seine Zukunft klar zu werden. Arnheim würde ihm die freien Tage sicher gerne gewähren. Er könnte seine Fälle jemand anderem übergeben und derjenige würde ganz sicher in seinem Sinne handeln.
    Doch früh am Montagmorgen wurden seine Pläne alle über den Haufen geworfen. Um halb sechs hörte er seinen Namen. Müde und mürrisch tappte Koch im Dunkeln ans Fenster und sah hinaus. Unten stand ein Wagen mit laufendem Motor, davor Reuber, der ihm, als er ihn sah, hektisch zuwinkte.
    „Kommen Sie, Koch. Beeilen Sie sich!“, rief er nach oben.
    „Was ist denn?“, fragte Koch, aber Reuber gab ihm keine Erklärung.
    „Gleich! Kommen Sie runter. Wir müssen los!“
    Koch war verärgert, aber in Reubers Stimme und Haltung war etwas, dass ihm anzeigte, dass die Angelegenheit dringend war und keinen Aufschub duldete.
    „Ich muss mir nur was anziehen“, rief er nach unten und schloss das Fenster. Schnell wusch

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