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Unter Trümmern

Unter Trümmern

Titel: Unter Trümmern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Heimbach
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einen langen Gang entlang, auf dem viele belegte Betten standen. Es roch nach Desinfektionsmitteln und Krankheit. Die Männer in den Betten stöhnten und wimmerten.
    „Kein Platz“, erklärte der Arzt im Gehen. „Ein Teil des Krankenhauses ist zerstört worden. Dazu viele unterernährte Kinder, Kriegsheimkehrer. Kriegsfolgen.“
    Siggi lag auf der Intensivstation und sie hätten ihn fast nicht erkannt. Sein Kopf war dick mit Mull umwickelt, seine Arme bandagiert, Schläuche führten in seinen Körper, ein Bild des Elends.
    „Verfluchter Mist!“, stieß Koch hervor. „Das ist meine Schuld. Ich hätte ihn nicht alleine losschicken dürfen.“
    „Noch ist nicht erwiesen, dass es Brunner oder seine Leute waren“, entgegnete Reuber.
    „So ein Quatsch!“, brauste Koch auf. „Wer denn sonst? Sie haben doch bei mir gesehen, was Siggi verträgt und wie schnell der anfängt zu torkeln. Nee. Nee, ich bin sicher, der hat irgendwas entdeckt und man wollte ihn deswegen beseitigen.“
    „Schon gut“, erwiderte Reuber unbeeindruckt, „aber manchmal gibt es für komplizierte Probleme auch ganz banale Lösungen.“
    „Was meinen Sie“, fragte Koch den Arzt, der sich auf dem Gang um einen anderen Patienten gekümmert hatte, „wann wir mit ihm sprechen können?“
    „Wie schon gesagt, es ist schwer eine Prognose abzugeben, ich denke, keinesfalls vor übermorgen. Wahrscheinlich erst später. Aber versprechen kann ich Ihnen das nicht.“
    Koch zog, nachdem der Arzt sich wieder einem Patienten zugewandt hatte, Reuber beiseite.
    „Wir dürfen Siggi nicht alleine lassen. Denken Sie an Hartmann. Wenn Brunner erfährt, dass er noch lebt, wird er alles dransetzen, ihn aus dem Weg zu räumen.“
    „Ich bleibe zuerst hier“, sagte Reuber. „Sie lösen mich gegen Mittag ab.“
    „Arnheim darf nichts davon wissen“, sagte Koch.
    „Das wird allerdings schwer. Aber versuchen wir’s.“
    „Eine Bitte“, sagte Koch, bevor er aus der Tür ging.„Könnten Sie mir später aus dem Büro ein Bild von diesem Glodkowski mitbringen?“
    „Darf ich wissen, warum?“, fragte Reuber.
    Koch schüttelte nur kurz den Kopf und verließ das Krankenzimmer.
    Im Büro fiel es Koch ausgesprochen schwer sich auf etwas anderes als auf Siggi zu konzentrieren. Was konnte er entdeckt haben? Was war so gefährlich, dass man glaubte, ihn beseitigen zu müssen? Oder war es einfach nur eine Machtdemonstration? So sehr Koch hin und her überlegte, er fand keine Lösung und musste einsehen, dass er darauf warten musste, bis sein junger Kollege aufwachte. Er war drauf und dran zu Brunner zu fahren, aber er wusste, dass dies der größtmögliche Fehler war, den er begehen konnte.
    Mehrmals suchte er die Kantine auf, um sich einen neuen Kaffee zu holen, so oft, dass es die Aufmerksamkeit der Kollegen, die das mitbekamen, erregte. Sie betrachteten ihn immer noch mit der gleichen Skepsis wie an jenem kalten Februartag, als er die Treppen hinaufgestiegen und Siggi zum ersten Mal begegnet war. Dass er unter besonderer Beobachtung Arnheims stand, gefiel ihnen sicher. Und bestimmt wussten sie auch von all seinen „Verfehlungen“. Außerdem war da noch die Geschichte mit Seebald, der nicht der Einzige war, der entlassen wurde, weil man bei seiner Einstellung einige nicht unerhebliche Details aus seiner Biographie „übersehen“ hatte. Da die Franzosen die Entnazifizierung laxer als die Amerikaner angingen und es zudem einen großen Personalbedarf bei der Polizei wie auch bei anderen Behörden gab, war sich Koch sicher, dass eine Menge Leute um ihn herum keine „weiße Weste“ hatten. Koch war egal, was die über ihn dachten.
    Nun, da es ein wenig wärmer geworden war, ging es seinem Bein besser. Es machte sich nicht mehr so oft und heftig bemerkbar wie im Winter. Aber beim letzten Gang in die Kantine wollte er zwei Stufen auf einmal nehmen, kam falsch auf und schon durchzuckte ihn ein stechender Schmerz.
    Langsam humpelte er in die Kantine und spürte die hämischen Blicke der anderen. Er versuchte sie zu ignorieren.
    Im Büro fand er eine Nachricht vor, dass der Blutgruppenvergleich ergeben hatte, dass die Blutgruppe auf dem Boden mit der von Peter Gerber übereinstimmte. In diesem Moment erschien das Koch nicht so wichtig.
    Gegen zwei Uhr fuhr er ins Krankenhaus, um Reuber abzulösen. Der saß über eine Zeitschrift gebeugt. „Hat mir der Arzt freundlicherweise überlassen“, erklärte er. „Siggi ist immer noch ohne Bewusstsein.“
    Koch nickte,

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