Unter Trümmern
übernahm Zeitschrift und Stuhl, stellte sich kurz neben das Bett, in dem Siggi lag, und betrachtete den jungen Mann.
Am Abend kam Reuber in Begleitung eines jungen Mannes in Zivil vorbei.
„Das ist Ralf Bodenhaus, ein junger Kollege. Absolut zuverlässig. Er hat sich bereit erklärt, heute Nacht auf Siggi aufzupassen.“
Koch stand auf und reichte Bodenhaus die Hand.
Nach einem kurzen Gespräch verließen die beiden Kommissare das Krankenhaus.
„Nichts Neues“, verkündete Reuber. „Ich habe mal meine Kontakte spielen lassen, aber niemand hat was gehört.“
„Brunner ist clever“, sagte Koch. „Sehr clever.“
Der Dienstag verlief zunächst ähnlich wie der Montag. Vormittags wachte Koch vor Siggis Zimmer, am Nachmittag sollte Reuber kommen, in der Nacht Bodenhaus. Am Morgen hatte sich Koch Heinrich Manns „Henri Quatre“ eingesteckt, damit seine Gedanken nicht wie am Vortag Karussell mit ihm fuhren: Glodkowski, Koch, Brunner, Bresson, Arnheim und wieder von vorne. Zu seiner Überraschung konnte er sich sogar auf den Roman konzentrieren und erhielt zudem einen anerkennenden Blick des Arztes, als der sah, was er las. So viel Bildung hatte er einem Polizisten offenbar nicht zugetraut.
Am Mittag, kurz bevor Reuber zur Ablösung kam, wachte Siggi auf. Langsam hob er ein Lid. Koch konnte die Fragen sehen, die sich in seinen Augen spiegelten. Wo bin ich? Was mache ich hier? Was ist passiert?
Es dauerte noch bis zum Abend, bis Siggi so weit bei Bewusstsein war, dass er seine Umwelt klar wahrnehmen und erste Worte formulieren konnte. Mehrmals versuchte der Arzt sie auf den nächsten Tag zu vertrösten, aber eine weitere Nacht, ohne zu wissen, was mit Siggi geschehen war, wollten sich die beiden Kommissare nicht antun.
„Ach, das hätte ich fast vergessen“, sagte Reuber, als sie draußen im Flur neben einem offenen Fenster standen. Er zog an seiner Zigarette und stieß den Rauch hinaus in den Abend. „Hier!“ Er griff in seine Jacketttasche und hielt ein Foto in der Hand.
Ein kurzer Blick Kochs genügte. Das war der Mann, dem er vor der Halle in Mombach einen Schlag versetzt hatte.
Endlich, gegen einundzwanzig Uhr, war Siggi soweit, dass er ihre Fragen beantworten konnte, wenn auch nur mit leiser Stimme und großer Mühe. Der Arzt stand unruhig und mit besorgter Miene in der Nähe.
„Mensch, Siggi, was machen Sie für Sachen?“, begann Koch. „Hat Ihnen der Alkohol bei mir nicht gereicht oder habe ich Sie auf den Geschmack gebracht?“
Siggi verzog den Mund zu einem dünnen Lächeln. Es war ihm anzusehen, dass er noch Schmerzen hatte.
„Mein Kopf“, sagte er und schloss die Augen. „Ist noch alles dran?“
Koch und Reuber mussten grinsen. „Alles so schön wie vorher. Ich glaube, nur ein paar von Ihren schönen blonden Haaren mussten dran glauben. Ich denke aber, dass die Damenwelt das verkraften wird.“
Siggi öffnete seine Augen zu schmalen Schlitzen.
Reuber beugte sich über Siggi. „Fühlen Sie sich stark genug zu reden, Siggi?“
Der Angesprochene nickte.
„Wenn es Sie sehr anstrengt, geben Sie uns ein Zeichen.“
Siggi nickte ganz leicht mit dem Kopf und schloss sogleich seine Augen. Offensichtlich erzeugte noch die kleinste Bewegung Schwindel in seinem Kopf.
„Dann mal los!“, forderte ihn Koch auf und rückte seinen Stuhl ganz nahe ans Bett und beugte sich vor. Reuber machte es ähnlich. Der Arzt blieb an der Wand stehen und beobachtete weiterhin skeptisch die Szene.
„Ich … Observation, die zwei Männer“, begann Siggi. Er hauchte die Worte mehr, als dass er sie aussprach. „Die Männer wieder … in Kneipe … Mombach. Wie davor.“ Er musste eine Pause einlegen, sich sammeln, schloss die Augen. Die beiden Polizisten warteten geduldig, bis Siggi seine Augen wieder aufschlug. „Idee … meine Idee … wenn die zwei in der … Kneipe …“, er wartete wieder, „Mercedesteile … Bru…“
Mit einem Mal fielen Siggis Augen zu und er schien wieder eingeschlafen zu sein.
„Siggi!“, zischte Koch, doch in dem Moment trat der Arzt hinter ihn und bat ihn den Patienten schlafen zu lassen.
Widerwillig folgte Koch der Bitte und wartete zusammen mit Reuber neben Siggis Bett. Leise spekulierten sie über die Worte des jungen Kollegen, aber sie kamen zu keinem Ergebnis. Abwechselnd dösten sie auf ihren Stühlen, bis Siggi am Morgen wieder erwachte. Dieses Mal machte er einen klareren Eindruck.
Zuerst jedoch wollte der Arzt ihn sich ansehen. Anschließend bekam er
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