Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Unter Trümmern

Unter Trümmern

Titel: Unter Trümmern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Heimbach
Vom Netzwerk:
einen Tee und eine Suppe. Endlich waren sie an der Reihe. Koch drückte Siggis Hand.
    „Sie sind ein harter Kerl, Siggi, verdammt hart. Meinen Sie, dass Sie Reuber und mir Ihre Geschichte erzählen können?“
    Kaum merklich nickte der Junge. Dieses Mal sprach er flüssiger als am Vorabend, auch wenn er immer wieder Pausen einlegen und ab und zu seine Augen schließen musste.
    „Die beiden Männer waren den ganzen Tag … in der Halle. In Mombach. Am Abend … sie sind … einen … die Kneipe … trinken. Ich bin dann … wegen der Teile …“, Siggi sah bei diesen Worten Koch an, „zu Brunner …“
    „Sie sind zu Brunner? Was haben Sie denn da gemacht?“
    „Mercedes …“
    „Sie sind bei Brunner eingestiegen? In die Garage?“
    Siggi deutete wieder ein Nicken an und schloss seine Augen.
    „Und?“, fragte Reuber, als er die wieder öffnete.
    „Es waren die … Teile. Genau … gefehlt. Ganz genau.“ Siggi versuchte so etwas wie ein Grinsen. Unter dem verbundenen Kopf sah das grotesk aus. Koch und Reuber mussten lachen.
    „Was ist?“, fragte Siggi.
    Koch schüttelte den Kopf. „Alles in Ordnung. Erzählen Sie weiter!“
    „Plötzlich … da Geräusche … und eine Stimme.“ Wieder musste der Verletzte eine Pause machen.
    „Tee?“, fragte Reuber.
    Siggi bewegte seinen Kopf ein ganz klein wenig.
    Es dauerte, bis er einen Schluck getrunken hatte.
    „Stimme … Da ist ja … unser Herr Kommissar …“
    Reuber und Koch sahen sich an.
    „Das hat jemand gesagt? Haben Sie denjenigen erkannt.“
    Siggi schüttelte ganz leicht den Kopf. „Nicht … richtig.“
    „Glodkowski und Hafner.“
    „Weiß … nicht. Dunkel … Schnell.“ Er sah verzweifelt aus und schloss seine Augen.
    „Das waren sie bestimmt. Sie sind Siggi von der Kneipe gefolgt“, sagte Reuber zu Koch.
    Siggi sprach weiter. „Augen verbunden … Alkohol. Ich musste … Alkohol trinken. Viel Alko… hol. Schlecht. Und dann …“
    Erwartungsvoll sahen die beiden Kommissare den jungen Kollegen an, aber es kam nichts mehr.
    Als hätten ihn mit dem Ende seiner Erzählung die Kräfte verlassen, schlief Siggi wieder ein. Koch und Reuber gingen vor die Tür.
    „Die werde ich mir vorknöpfen, diese Schweine“, schimpfte Koch so laut auf dem Gang los, dass einige der Patienten in den Betten auf dem Flur ihnen die Köpfe zuwandten.
    „Leise, Koch“, mahnte Reuber den Kollegen. „Wir müssen jetzt schnell handeln. Wenn Brunners Leute verstanden haben, wonach Siggi gesucht hat, werden sie den Mercedes verschwinden lassen.“
    „Die sind schon weg, bestimmt“, sah Koch schwarz. „So dumm, den Wagen länger bei sich zu lassen, ist Brunner nie und nimmer. Da nützen uns auch die beschlagnahmten Autoteile nichts. Wieso kommen wir an diesen Kerl nicht ran? Warum nicht?“

XII
    Die Aussegnungshalle war fast voll. Dorle hatte schon befürchtet, dass nicht alle Platz finden würden. Sie war gerührt, dass so viele Menschen an ihrem und Rolfs Schicksal Anteil nahmen.
    Immer wieder schweifte ihr Blick zu Franzi hinüber, die zwei Reihen hinter ihr seitlich versetzt mit ihren beiden Söhnen saß und immer, wenn sie Dorles Blick bemerkte, ihr ein unmerkliches Zeichen gab und lächelte. Sie dankte Gott, dass er ihr eine solche Freundin an die Seite gestellt hatte.
    In der Halle war es noch kühl, während es draußen von Tag zu Tag wärmer wurde. Rolf hätte keinen Tag länger in dem Keller liegen können. Die Männer, die Rolf abgeholt hatten, hatten schon die Nase gerümpft. Dorle nahm es als ein Zeichen und ein Geschenk, dass der Frühling sich in diesem Jahr so viel Zeit gelassen hatte.
    Der Pfarrer sprach viel vom Schicksal der vom Krieg Gezeichneten und immer wieder kam er darauf zurück, dass die Menschen auch den Krieg und diese schweren Stunden jetzt nach all der Zerstörung, dem Tod und dem Hunger als Zeit der Prüfung verstehen sollten, vor der man nicht fliehen dürfe. Dorle verstand die Anspielungen nur zu gut, die in erster Linie an sie gerichtet waren und eine Verurteilung ihres Sohnes bedeuteten, der sich dieser Prüfung nicht gestellt hatte. Aber so sehr sie auch an Gott glaubte und sich ein Leben ohne Glauben nicht vorstellen konnte, und so sehr sie auch unter Rolfs Entscheidung, sein Leben selbst zu beenden, litt, sie konnte auch verstehen, dass er für seine Zukunft keine Hoffnung mehr gesehen hatte. Ein Leben, das ständige Schmerzen bedeutet hätte.
    Das hatte sie in den vielen langen Stunden, die sie an seiner Seite gekniet

Weitere Kostenlose Bücher