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Unter uns Pastorentoechtern

Unter uns Pastorentoechtern

Titel: Unter uns Pastorentoechtern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fred Secombe
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gelaufen. Ich habe natürlich nicht auf sie gesetzt. Die vermaledeite Mähre ist als Erste durchs Ziel gegangen!“

4
     
     
    „Ich habe immer noch zehn Besuche zu machen“, sagte ich beim Mittagessen aus Wurstersatz und Brei zu Mrs. Richards. „Ich sollte sie lieber heute hinter mich bringen, bevor ich morgen auf der Hochzeit dem Pfarrer begegne. Na ja, eigentlich sind es nur neun. Einer davon ist Idris der Milchmann, und ich esse heute abend sowieso Fisch und Chips bei ihm und seiner Frau.“
    „Mr. Price ging auch immer freitags zu Idris. Er ist sehr gastfreundlich, der Idris. Wo müssen Sie die anderen Besuche machen?“
    „Acht davon sind in der Colliers Street und der neunte in der Melbourne Terrace.“
    „In der Colliers Street wohnen viele Gemeindeglieder. Das ist nur zwei Straßen abwärts von hier, und die Melbourne Terrace ist die nächste Querstraße danach. Sehr elegante Gegend. Das dürfte Mrs. Powell sein.“
    Ich beschloß, mit der Colliers Street anzufangen und mir die „elegante Gegend“ fürs Finale aufzuheben. Wieder einmal stand ich vor dem Problem der anonymen Häuser. Die erste Adresse auf meiner Liste war „Mrs. Bevan, Nummer zwei“. Ich klopfte an die nicht numerierte Tür des zweiten Hauses.
    Die Tür wurde von einem etwa vierjährigen kleinen Mädchen geöffnet, das nichts als ein schmutziges, ziemlich löchriges Unterhemd anhatte. Sie war mit mehreren Schichten Schmutz bedeckt, und auf ihren Wangen trocknete gerade die frisch aufgetragene Himbeermarmelade. Das Kind starrte mich beängstigend eindringlich an. Mein Selbstvertrauen wich vor ihrem Blick zurück.
    „Würdest du deiner Mami sagen, daß der — äh — Vikar zu Besuch gekommen ist?“ Diese pastorale Äußerung klang absurd klerikal.
    Sie rannte den mit Linoleum bedeckten Flur entlang bis zum Fuß der Treppe. Mit einer für ein so kleines Mädchen beeindruckend massiven Stimme verkündete sie: „Maa-mi. Der Bikar is’ gekommen.“
    Eine zerzauste Frau Anfang der Dreißig klapperte die teppichlose Treppe herunter. Aus ihrem Mundwinkel hing eine Zigarette.
    „Rita!“ kreischte sie. „Marsch, zurück in die Küche. Hier herumzulaufen mit nix an.“
    Dieser Tadel war eindeutig unfair, da sie selbst außer einem Kittel sehr wenig anhatte.
    „Was wollen Sie, mein Bester?“ Sie sprach zu mir, als wäre ich so alt wie Rita.
    „Der Pfarrer hat mich zu Ihnen geschickt“, sagte ich stockend.
    „Wozu?“ Sie klang argwöhnisch.
    Inzwischen war ich davon überzeugt, daß ich einen Fehler gemacht hatte. „Sind Sie Mrs. Bevan?“ fragte ich.
    „Die wohnt am anderen Ende der Straße. Vorletztes Haus.“
    Die Tür knallte zu.
    Ich hatte am falschen Ende der Straße angefangen. Mrs. Bevan am anderen Ende zeigte sich höchst amüsiert, daß ich bei der Dame im Kittel (und sonst nicht viel) gewesen war. Offenbar hatte sie die Gewohnheit, sich ständig über die Abwesenheit ihres Mannes hinwegzutrösten, der in der Achten Armee diente.
    Nach drei Tassen Tee und sieben Besuchen erreichte ich mein letztes Haus in der Colliers Street. „Mrs. Annie Jones, Nummer vierundzwanzig.“ Bei dem Namen läutete in meinem Gedächtnis eine Glocke. Als sie öffnete, wurde eine Alarmglocke daraus.
    Ich stand vor der gebißlosen Sopranistin, die mich am Sonntag darüber informiert hatte, daß die Bewohner von Pontywen „sehr freundliche Leute“ seien. Sie gab sich alle Mühe, sehr freundlich auszusehen, indem sie mit den Wimpern klimperte und sogar ihr Gebiß trug. Gesichtspuder und Lippenstift waren in solchen Mengen aufgetragen, daß sie vom Fleck weg als Zirkusclown hätte engagiert werden können. Ihr leichtes Sommerkleid hing über ihrem großen Busen wie eine Flagge, die über einen Balkon drapiert ist. Ein starker Duft von Soir de Paris schwebte in der Luft.
    „Ich habe gehört, daß Sie in der Straße unterwegs sind. Da habe ich aufgepaßt, daß Sie nicht an mir Vorbeigehen.“ Offensichtlich waren die Buschtelegrafen schon heißgelaufen.
    „Kommen Sie doch bitte ins Vorderzimmer. Ich habe schon den Kessel für eine Tasse Tee aufgesetzt.“
    Das kleine Vorderzimmer war mit einer dreiteiligen Sitzgarnitur, zwei Korbstühlen, einem Beistelltisch und dem unvermeidlichen Blumenständer möbliert. Billige Nippesfiguren drängten sich mit Fotografien auf dem Kaminsims. Alle Figuren trugen die Namen von Badeorten; ein Katalog vergangener Ferienreisen.
    „Nehmen Sie auf dem Sofa Platz“, sagte sie, „und machen Sie es sich bequem,

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