Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Unter uns Pastorentoechtern

Unter uns Pastorentoechtern

Titel: Unter uns Pastorentoechtern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fred Secombe
Vom Netzwerk:
ich mir eher vor wie ein Baptistenprediger als ein anglikanischer Vikar.“

5
     
     
    „Seien Sie um halb elf fertig“, wies mich der Pfarrer an. „Ich habe arrangiert, daß Mervyn Williams Sie mit meinem Wagen abholt und nach St. Illtyd’s bringt. Und ich habe ihn gebeten, Ihnen Fahrunterricht zu geben.“
    Diese Bombe schlug genau zwei Minuten vor dem Morgengottesdienst in der Sakristei ein. Die Aussicht auf den Zwei-Meilen-Marsch zu der kleinen Landkirche hatte meine Gedanken verdüstert, seit ich an diesem Morgen aufgestanden war.
    „Na also“, kommentierte Mrs. Richards beim Frühstück, als ich ihr von der Verabredung erzählte. „Der Pfarrer ist gar kein so übler alter Bursche.“
    „Kennen Sie Mervyn Williams?“ fragte ich.
    „Ja, das ist der Junge von der Autowerkstatt. Er ist der jüngste von fünf Söhnen, die anderen sind alle beim Militär. Bald wird auch er an der Reihe sein. Immerhin wird er nicht gegen diese Nationalsodomisten kämpfen müssen. Ich vermute, einige seiner Brüder werden wieder zu Hause sein, bevor er fort muß.“
    Um halb elf war von Mervyn nichts zu sehen. Die Minuten verrannen. Ich stand auf der Schwelle, den Koffer mit meinen Gewändern in der Hand. Gegen zehn vor elf geriet ich allmählich in Panik. Der Gottesdienst sollte um elf beginnen. „Vielleicht hat der Pfarrer irgend etwas an dem Auto kaputtgemacht, als er gestern daran herumbastelte“, sagte ich zu Mrs. Richards.
    „Das glaube ich kaum“, erwiderte die alte Dame. „Er ist ein ganz guter Mechaniker.“
    Plötzlich brüllte am Ende der Straße ein Motor auf, und Mervyn hielt mit quietschenden Bremsen vor dem Haus wie in einem Gangsterfilm.
    Ein blaßgesichtiger junger Mann sprang aus dem Wagen und hatte mir den Koffer aus der Hand genommen, bevor ich auch nur den Bürgersteig erreicht hatte.
    „Tut mir leid, daß ich zu spät komme“, sagte er. „Ich habe verschlafen.“
    „Bei Ihnen zu Hause kann man aber lange schlafen“, erwiderte ich.
    „Wir haben uns angewöhnt, sonntags auszuschlafen, das ist das Problem.“ Er hatte eine muntere und gelassene Art.
    Im Nu rasten wir aus Pontywen hinaus aufs freie Land. Ich betete, daß uns auf der schmalen Straße nichts entgegenkommen würde — sei es eine streunende Kuh oder ein erschrockener Radfahrer. Wir fuhren so schnell, daß ich glatt durch die Windschutzscheibe geflogen wäre, wenn er auf die Bremse getreten hätte. Glücklicherweise war die Bahn frei.
    Wir erreichten St. Illtyd’s um fünf vor elf. Ich rannte den Weg zur Kirche entlang, stieß die Kirchentür auf und prallte gegen eine Wand. Sie war einen Meter neunzig groß in ihren schweren Schuhen, wog doppelt soviel wie ich und roch nach starkem Tabak. Ich löste meine Augenbraue vom obersten Westenknopf des Mannes und blickte hinauf in den rosigen Vollmond eines unergründlichen Gesichtes.
    „Wo brennt’s?“ sagte er gedehnt mit ländlichem Akzent.
    „Tut mir leid“, sagte ich, „ich dachte schon, ich käme zu spät zum Gottesdienst.“
    „Noch niemand da“, sagte er trocken. „Keine Organistin und nichts.“
    „Dann hat es wohl keinen Sinn, sich so zu beeilen“, bemerkte ich und rieb mir die angeschlagenen Rippen. „Ich bin der neue Vikar.“
    „Das sehe ich“, erwiderte der Monolith. „Ich bin Tom Cadwallader, der Küster.“ Er zerdrückte mir die rechte Hand. Ich wand mich vor Schmerzen.
    „Bei einem solchen Namen müssen Sie wohl von den walisischen Prinzen abstammen“, sagte ich schmeichelnd.
    Doch alle Schmeichelei war bei ihm vergebens. Er starrte mich schweigend an. Mit seiner langarmigen, massigen Gestalt sah er eher wie ein Abkömmling von Charles Darwins Urgorilla aus als wie ein walisischer Prinz.
    „Immer spät hier“, verkündete er. Ich wußte nicht recht, ob er mir damit anraten wollte, spät zu kommen, oder ob er die Gewohnheiten der Kirchgänger in St. Illtyd’s beschrieb. „Die Sakristei ist da hinten“, fügte er hinzu und deutete auf das östliche Ende der Kirche.
    Das war das Ende unserer Unterhaltung. Ich ging in die Sakristei und legte meinen Talar an. Ein paar Minuten später klapperte es hinten in der Kirche, und es erschien eine ältere Dame mit Brille, die ihr Fahrrad hereinschob und am Taufstein abstellte. Wie sich herausstellte, war sie die Organistin.
    Als der Gottesdienst schließlich begann, bestand die ländliche Gemeinde aus sieben Personen, die ihre geringe Zahl beim Singen durch ihre kräftigen Stimmen wettmachten. Die „Orgel“ war

Weitere Kostenlose Bücher