Unter uns Pastorentoechtern
bestanden hatte, daß sein Sohn in seine Fußstapfen trat. Charles hatte es widerwillig getan.
Bevor er ging, erinnerte ich ihn noch daran, daß die Uhren in der Nacht zurückgestellt werden mußten. Er schien mir zu den Leuten zu gehören, die eine solche Gedächtnisstütze nötig hatten.
„Er ist ein netter junger Mann“, war Mrs. Richards’ Urteil, „aber er wirkt ein wenig zerstreut.“
„Ich fürchte, das ist er auch“, erwiderte ich.
Am nächsten Morgen hatte ich gerade meine Waschungen beendet, als laut an die Haustür geklopft wurde. Mrs. Richards lag noch im Bett. Inzwischen bestand ich darauf, mir mein Rasierwasser selbst zu kochen, damit die alte Dame länger ruhen konnte. Das Gesicht halb in Rasierschaum verborgen, eilte ich nach unten, um herauszufinden, was für eine Krise nun wieder ausgebrochen war.
Auf der Schwelle stand Charles Wentworth-Baxter in völlig aufgelöstem Zustand.
„Es ist niemand da“, sagte er atemlos.
„Wo?“ fragte ich.
„In der Kirche“, erwiderte er.
„Natürlich nicht“, sagte ich gereizt. „Der Gottesdienst ist erst in anderthalb Stunden.“
„Aber die Uhren!“ hauchte er. „Sie werden doch heute umgestellt, oder?“
Allmählich begriff ich nur zu gut, warum sein ehemaliger Pfarrer ihn hatte loswerden wollen.
„Sie wurden zurückgestellt, nicht vor“, sagte ich mit zusammengebissenen Zähnen.
Er starrte mich einen Moment lang an.
„Oh!“ sagte er.
„Ja - oh!“ erwiderte ich. „Sie sollten lieber wieder zurück zu Ihrer Unterkunft gehen und Ihre Predigt noch einmal durchlesen oder sonst etwas Nützliches tun.“
Eine Stunde später machte ich mich auf den Weg in die Kirche. Als ich die Sakristeitür öffnete, schlug mir der Duft von Obst und Blumen entgegen. Was Gerüche angeht, gibt es nichts Besseres als ein Erntedankfest. Eine richtige Symphonie für die Nase.
Ich ging in den Altarraum, um den Gottesdienst vorzubereiten. Als ich durch das Dickicht im Innern der Kirche ging und Wein und Wasser zu dem Tisch an der Seite trug, trat ich auf irgend etwas, das auf dem Boden lag. Ich blickte hinab. Dort lag der Satz „Gott ist Liebe“ — als ein Kunstwerk, ausgelegt aus kleinen Keksen.
Zugegebenermaßen ist dieser Satz vermutlich der wichtigste in der ganzen Bibel. Dennoch hat alles seinen Platz, und Kekse sind kein angemessenes Medium für Bibeltexte. Ich stürmte in die Sakristei. Der neue Vikar war gerade eingetroffen.
„Wer in aller Welt hat in der Kirche Kekse auf den Boden gelegt?“ fragte ich.
Die Hälfte des Chores, die bereits anwesend war, starrte mich an, als ob ich verrückt sei.
Charles Wentworth-Baxter ließ den Kopf hängen.
„Doch nicht etwa Sie?“ sagte ich ungläubig.
„Es war ein Päckchen Kekse in der Kanzel, als ich heute morgen herkam“, murmelte er, „und ich dachte mir, es wäre nett, sie so zu verwenden.“
Ein Kichern breitete sich durch die Reihen der Chorsänger aus. Ich sah kommen, daß sich Charles Wentworth-Baxter binnen kurzem den Ruf eines ausgemachten Trottels erwerben würde. Ich unterdrückte meinen Drang, in die allgemeine Heiterkeit einzustimmen, und nahm ihn zur Seite.
„Tun Sie das nicht wieder“, sagte ich mühsam beherrscht. „Also“, fügte ich hinzu, „Sie kündigen die Lieder ab, halten die Lesung und predigen. Ich lese die Bekanntmachungen und halte die Liturgie.“
Als wir in die Kirche kamen, verlas ich alle Bekanntmachungen und endete damit, daß ich den neuen Vikar in der Gemeinde willkommen hieß. Er saß da und strahlte. Ich wartete darauf, daß er aufstehen und den Choral ankündigen würde. Er blieb sitzen und grinste wie ein Honigkuchenpferd. Ich deutete hinauf an die Liedertafel. Er sah hin und dann wieder mich an. Ich gab es auf.
„Lied Nummer dreihundertundachtundzwanzig“, verkündete ich schließlich.
Während der Choral gesungen wurde, ging ich zu ihm hinüber.
„Sie sollten doch die Choräle abkündigen“, sagte ich. Ärger stieg rasch in mir auf.
„Tut mir leid. Ich werde Sie beobachten, um zu sehen, wann ich dran bin.“
Das tat er. Er ließ mich nicht aus den Augen.
Nach den Gebeten deutete ich auf die Liedertafel. Er erhob sich und kündigte den Choral an, den wir bereits gesungen hatten. Der Chor stand in Gefahr, hysterisch zu werden. Noch einmal mußte ich den Choral abkündigen. Noch einmal ging ich zu ihm hinüber.
„Sie halten jetzt die Lesung“, sagte ich so ruhig wie möglich. „Ich werde für den Rest des Gottesdienstes die
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