Unter uns Pastorentoechtern
Sie Kinder?“ erkundigte ich mich.
„Ich habe drei Jungs“, erwiderte sie. „Der älteste ist elf. Die andern sind acht und sechs Jahre alt. Es sind wirklich gute Jungs.“
„Wie wäre es, wenn sie in die Sonntagsschule kämen?“ fragte ich. Dieser Vorschlag schien sie zu erschrecken.
„Nein!“ rief sie. „Wegen meines Mannes. Er würde es nicht erlauben. Er hat sich gegen die Religion gewendet, seit er in der Armee war.“
„Das ist kein Problem, Mrs. Thomas“, sagte ich beschwichtigend. „Ich möchte auf keinen Fall Anlaß zu Unstimmigkeiten zwischen Ihnen und Ihrem Mann geben. Sie haben ja sicher genug Sorgen mit dem üblen Unfall, den Sie offenbar hatten.“
„Ich bin gestern gestürzt“, sagte sie. „Ich bin oben auf der Treppe ausgerutscht und bis hinunter gefallen. Ich war schon bei der Ärztin. Sie war sehr nett. Sie hat mir die Rippen verbunden und Tabletten verschrieben.“ Sie hielt inne. „Wenn Sie mich jetzt entschuldigen wollen, ich muß wirklich los.“
Sie führte mich zur Tür. Auf der Schwelle schüttelten wir uns unter den Augen zweier interessierter Nachbarinnen die Hände.
„Ich schaue vielleicht wieder einmal herein“, sagte ich.
Sie schloß rasch die Tür hinter mir, ohne etwas zu sagen.
Auf dem Weg zurück zu meiner Bude dachte ich darüber nach, wie ich Eleanor sagen sollte, wie wenig ich ausgerichtet hatte.
„Sie scheinen heute nicht viel Appetit zu haben“, kommentierte Mrs. Richards beim Essen. „Das muß an dieser alten Liebeskrankheit liegen. Entweder ist es das, oder Sie haben sich den Magen verdorben.“
„Weder noch“, erwiderte ich. „Mir geht ein verzwicktes Problem im Kopf herum, und ich finde einfach keine Lösung dafür.“
„Machen Sie sich keine Sorgen, Mr. Secombe“, sagte sie. „Jedes Problem hat auch seine gute Seite.“
An diesem Nachmittag war mein Besuch im Krankenhaus fällig. Die ganze Zeit über, während ich dort war, mußte ich daran denken, daß Mrs. Thomas bald als Patientin dort sein würde, wenn nicht etwas geschah. Zu allem Unglück wurde ich auch noch in der Princess-Royal-Station von Zahnschmerzen überfallen. Es wurde so schlimm, daß ich meinen Dienst abbrach und in meine Bude zurückkehrte.
Ich nahm etwas Aspirin und ging hinauf in mein Schlafzimmer. Auf dem Bett liegend, betete ich um gnädigen Schlaf. Im Nu versanken meine Schmerzen im Land der Träume. Doch dieses friedliche Land wurde von einer Horde schreiender Nazi-Sturmtruppen überrannt. Sie kamen mit vorgehaltenen Bajonetten auf mich zu. Ich erwachte von Angstschweiß bedeckt.
Zu meinem Entsetzen hörte ich eine Männerstimme im Haus, die mehr Lärm machte als all die Sturmtruppler zusammengenommen. Ich sprang vom Bett. Halb benommen trat ich hinaus auf den Treppenabsatz. Unten am Fuß der Treppe ragte ein Riese von einem Mann über der kleinen Gestalt von Mrs. Richards auf.
Sobald er mich sah, rief er: „Kommen Sie runter, ich will mit Ihnen reden.“
Immer noch schläfrig, ging ich die Treppe hinunter und hielt mich am Geländer fest, um nicht in meinen Socken auf dem gebohnerten Linoleum auszurutschen. Mrs. Richards hatte sich mit ihrer zierlichen Gestalt zwischen den Eindringling und die unterste Stufe gestellt.
„Tut mir leid , Mr. Secombe“, sagte sie mit zitternder Stimme, „aber er hat sich einfach hereingedrängt.“
„Schon gut“, beruhigte ich sie. Dann hörte ich mich zu dem Hünen sagen: „Wie wäre es, wenn Sie mit in mein Zimmer kommen?“
Er schob sich an mir vorbei ins Vorderzimmer, und ich schloß die Tür.
„Mein Name ist Thomas“, verkündete er. „Sie haben — äh — Beziehungen zu meiner Frau unterhalten, während ich für mein Land gekämpft habe.“
Ich hörte, wie die Haustür zuschlug. Durch das Seitenfenster sah ich Mrs. Richards in fliegender Eile die Stufen hinunterjagen wie jemand, der ein Viertel ihrer Jahre hinter sich hatte.
„Setzen Sie sich, Mr. Thomas“, sagte ich in einem vergeblichen Versuch, die Situation unter meine Kontrolle zu bekommen.
„Nein, Sie setzen sich“, erwiderte er und drückte mich in meinen Sessel. Er war ein Gorilla von einem Mann, der seinen neuen Ausmusterungsanzug an den Nähten krachen ließ.
„Ich werde Ihnen nichts tun“, knurrte er, „solange Sie tun, was ich Ihnen sage. Alles, was ich will, ist ein unterschriebenes Geständnis.“
„Aber Mr. Thomas“, protestierte ich, „ich habe nichts mit Ihrer Frau zu tun. Ich habe sie bis heute vormittag noch nie
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