Unterdruck: Ein Dirk-Pitt-Roman (German Edition)
keinen Fall mehr als nur die Hälfte unserer Ladung übernehmen.«
»Besteht Ihre gesamte Fracht aus Monazit?«
»Bis zur letzten Unze. Nein, Sir, ich glaube nicht, dass sie die Adelaide versenken werden. Jedenfalls noch nicht. Was wir geladen haben, ist einfach zu wertvoll.«
Pitt ließ den Blick über die demoralisierten und völlig verstörten Männer schweifen.
»Mr. Livingston, ich hoffe inständig, dass Sie recht haben.«
42
Es dauerte nur wenige Sekunden, bis Ann in Panik geriet.
Nachdem sie glatt ins Wasser eingetaucht war, schlug sie kräftig mit den Beinen, hatte die Hände nach vorn gestreckt und suchte vorübergehenden Schutz in der Tiefe des Ohio River. Das Wasser war wärmer, als sie erwartet hatte, um die zwanzig Grad Celsius. Nachdem sie einen komfortablen Kulminationspunkt erreicht hatte, bog sie den Oberkörper hoch und versuchte mit den Händen Schwimmbewegungen zu machen. Doch da ihre Handgelenke aneinandergefesselt waren, schaffte sie es nicht.
Sie erlebte einen kurzen Moment des Grauens, als sie glaubte, ertrinken zu müssen.
»Ruhig, ganz ruhig«, wiederholte eine Stimme in ihrem Kopf ständig.
Mit heftig pochendem Herzen zwang sie sich, sich ganz still zu verhalten und einige Sekunden lang mit der Strömung treiben zu lassen. Das beruhigte ihre Nerven, und sie begann mit den gefesselten Händen Wasser zu schöpfen wie ein paddelnder Hund, um an die Oberfläche zu gelangen. In dem tintenschwarzen Wasser konnte sie jedoch nicht mehr erkennen, wo oben oder unten war.
Die Antwort erhielt sie umgehend, als sie mit der Schulter gegen den korrodierten Rumpf des Lastkahns prallte. Sie stieß sich davon ab, trieb in freies Wasser und verhielt sich noch einige Sekunden lang völlig still, ehe sie in die kühle Nachtluft hinaufstieg.
Die Strömung war stark und schnell, und sie stellte fest, dass sie sich von dem Lastkahn und dem Schlepper entfernte. Sie blickte zurück und sah Pablo auf dem Pier hin und her laufen und die Wasseroberfläche absuchen. Als er Anns Kopf zwischen den Wellen entdeckte, zog er die Glock aus dem Holster.
Ann holte sofort tief Luft und tauchte ab. Sie konnte nicht feststellen, ob er auf sie schoss, aber es hatte keinen Sinn, ihm ein Ziel zu bieten.
Diesmal fiel es ihr nicht mehr so schwer, unter Wasser zu bleiben, und sie hielt den Atem fast eine Minute lang an, während sie mit den Beinen schlug, mit den Händen paddelte und sich von der Strömung mitnehmen ließ. Als sie wieder auftauchte, war sie mehr als einhundert Meter vom Lastkahn entfernt – und für jeden, der auf dem Pier stand, so gut wie unsichtbar. Von Pablo war nichts mehr zu sehen.
Sie orientierte sich jetzt flussabwärts, hielt nach einer Stelle Ausschau, um an Land zu gehen und Hilfe zu suchen. Aber der Pier befand sich an der Peripherie der Stadt, und das Flussufer in ihrer nächsten Nähe war dunkel und verwaist. Eine Lichtertraube funkelte nicht weit entfernt auf dem gegenüberliegenden Flussufer und markierte die Lage der kleinen Stadt Metropolis, Illinois.
Angelockt durch die Aussicht auf Sicherheit, begann Ann mit den Beinen schlagend und den Händen paddelnd in Richtung der Lichter zu schwimmen. Sie mühte sich ein paar Minuten lang ab und kämpfte gegen die Flussströmung. Dann erkannte sie, dass ihre Bemühungen, die Stadt zu erreichen, vergebens sein würden. Der Fluss war an dieser Stelle fast eine ganze Meile breit, und die Strömung würde sie längst an ihren Lichtern vorbeigetragen haben, ehe sie das andere Ufer erreichen könnte.
Der kraftraubende Versuch, mit gefesselten Händen zu schwimmen, steigerte ihre Erschöpfung, daher drehte sie sich auf den Rücken und ruhte sich aus, während sie sich mit der Strömung treiben ließ. Als sie zum Himmel schaute, bemerkte sie ein Paar roter Blinklichter in der Ferne. Indem sie sich halb auf die Seite rollte, beobachtete sie aufmerksam, wie sie regelmäßig aufflammten und erloschen – Flugzeugwarnlampen. In ihrer kurzen Helligkeitsphase konnte sie erkennen, dass sie an zwei hohen Betonschornsteinen befestigt waren. Sie konnten nur Teil eines am Flussufer gelegenen Kraftwerks sein.
Während sie an den Lichtern von Metropolis vorbeitrieb, kämpfte sie sich zu dem näher gelegenen Ufer zurück. Für etwa eine Meile waren beide Flussufer vollständig dunkel, und Ann fühlte sich plötzlich ausgekühlt und allein. Doch sie behielt die roten Blinklichter im Auge und kam ihnen Stück für Stück näher. Ein diffuser Lichtschein am Fuß der
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