Unterdruck: Ein Dirk-Pitt-Roman (German Edition)
dem Ergebnis, dass es sich wahrscheinlich in einem sicheren Versteck befand. Während er sich einen Weg durch die Büsche suchte, rätselte Pitt, wer der Mann sein mochte und weshalb er ausgesandt wurde, um Bolckes Betrieb zu zerstören. Nicht dass Pitt nicht ähnliche Gefühle hegte, aber er nahm an, dass das Motiv eher mit dem Handel mit Seltenen Erden als mit humanitären Gründen zu tun hatte.
Kurz nachdem sie sich getrennt hatten, war die Sonne untergegangen, und das Laubdach des Dschungels hatte sich dunkel ge färbt. Pitt stolperte durch Wolken von Moskitos, die bei Einbruch der Dämmerung erschienen, um sich auf seine entblößte Haut zu stürzen. Das Gehen wurde zunehmend heikel, weil die ohnehin schon dichte lichtarme Welt nach und nach vollkommen schwarz wurde. Immer wieder traf er auf dornige Zweige oder stolperte über unsichtbare Äste, doch es gab nichts, was er hätte tun können, um dies zu vermeiden.
Die Hunde setzten ihre Verfolgung fort, langsam und methodisch. Pitt hatte gehofft, dass die Hundeführer Zhous Spur folgen würden, aber sie orientierten sich weiterhin an seiner Witterung. Er konnte dem gelegentlichen Hundegebell entnehmen, dass sie sich nur wenige hundert Meter hinter ihm befanden. Alle paar Minuten blieb er stehen und versuchte, ihre jeweilige Position einzuschätzen.
Ringsum vom Urwald eingeschlossen, verlor er jegliches Gefühl dafür, welche Richtung er einschlagen musste. Die Laute der Hunde waren schon bald seine einzige Orientierungshilfe. Aus Furcht davor, unbemerkt zurückzugehen und zwischen den Fangzähnen seiner Jäger zu landen, hatte er die Ohren ständig gespitzt und lauschte auf das Gekläff.
Der Urwald erwachte in der Nacht zum Leben und füllte sich mit einem Konzert seltsamer Pfiffe, Rufe und Schreie. Pitt behielt seinen spitzen Knüppel abwehrbereit in der Hand – für den Fall, dass diese akustischen Signale nicht von einem Vogel oder einem Fisch, sondern von einem Jaguar oder Kaiman stammten.
Die Laute halfen ihm, nicht an seine Müdigkeit zu denken. Ohne Zhous Wasser und Proteinriegel wäre er vielleicht längst zusammengebrochen, aber diese geringe Menge an Nahrung hielt ihn ständig in Bewegung. Dabei hüllte Erschöpfung seine Knochen ein und ließ jeden Schritt zu einer schmerzhaften Aktion werden. Dass er an diese heiße, feuchte Umgebung nicht gewöhnt war, steigerte seine Lethargie noch. Ständig von der Vorstellung gelockt, stehen zu bleiben und sich einfach hinzulegen, um sich auszuruhen, dachte er an Giordino und die anderen Gefangenen, und seine Füße versahen weiter widerspruchslos ihren Dienst.
Obgleich seine Kleider nach seinem vorherigen Bad inzwischen getrocknet waren, troffen sie jetzt vor Schweiß. Er hoffte auf Regen, weil er wusste, dass die Spurensucher dadurch abgelenkt werden würden. Aber der normalerweise zuverlässige panamaische Himmel spielte nicht mit und lieferte nicht mehr als ein gelegentliches Nieseln.
Er rutschte in einer Schlammpfütze aus, dann kletterte er auf einen Baumstumpf und rastete eine Weile. Offenbar bremste die Dunkelheit auch die Spurensucher. Ein fernes Kläffen verriet ihm, dass er immer noch einen komfortablen Vorsprung hatte, aber schon bald gewahrte er durch das dichte Laubwerk das Licht der Suchscheinwerfer. Pitt quälte sich auf die Füße und wagte sich erneut in die Spießrutengasse unsichtbarer Baumäste. Stunde um Stunde schleppte sich die Nacht in einem Zyklus aus Suchen, Tasten und Stolpern dahin. Und immer wieder überlagerte der Lärm der Hunde alle anderen Urwaldgeräusche.
Automatenhaft wie ein lebender Toter taumelte Pitt durch einen Bambushain – dann machte er einen Schritt und spürte unter seinem Fuß nichts als Luft. Er kippte über den Rand einer engen Schlucht und rollte Hals über Kopf einen grasbewachsenen Hügel bis in einen Bach hinunter. Mehrere Minuten saß er nur da und genoss, wie das frische Wasser den Schmerz der Blutergüsse und Risswunden linderte. Am Himmel über ihm lieferte ein Streifen funkelnder Sterne ein mattes, aber willkommenes Licht.
Das Wasser bot ihm die Chance, die Hunde abzuschütteln. Nachdem er Zhous Feldflasche aufgefüllt hatte, watete er in der Mitte des Baches stromabwärts. Zwar reichte ihm das Wasser nur selten höher als bis zu den Knien, trotzdem war es tief genug, um seine Spur zu verbergen. Dank des Sternenscheins kam er schneller voran, auch wenn er einmal ausrutschte und sich in voller Länge ins Bachbett legte. Er folgte ihm nach seiner
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