Unterdruck: Ein Dirk-Pitt-Roman (German Edition)
holländische Schiff einholte und sich an seiner Backbordseite entlangtastete, um zu überholen. Die Adelaide hatte sich kaum neben den Tanker manövriert, als ein großes blaues Containerschiff auftauchte, das den Kanal in entgegengesetzter Richtung befuhr.
Dirk schätzte die Strecke, die nötig war, um den Tanker zu passieren, und schüttelte den Kopf. »Vor diesem Containerschiff kommen wir niemals an dem Tanker vorbei.«
Er erwartete, dass sein Vater Fahrt zurücknahm und sich hinter dem Tanker einfädelte, bis sie genug Platz zum Überholen hätten. Stattdessen stand Pitt in lässiger Haltung am Ruder und signalisierte auf diese Art und Weise, dass er keineswegs die Absicht habe, die Geschwindigkeit zu drosseln.
Dirk grinste ihn an und schüttelte den Kopf. »Da werden die Jungs in dem Containerschiff aber gar nicht glücklich sein.«
Der Lotse des sich nähernden Schiffes hatte die Adelaide bereits in seiner Fahrrinne entdeckt und verlangte mit wütender Stimme per Funk, dass der Schüttgutfrachter gefälligst Platz machen solle. Aber die zunehmend hektischen Aufforderungen blieben unbeantwortet, während der Abstand der beiden Schiffe zueinander rapide schrumpfte.
Pitt holte weiter zu dem Tanker auf, doch dessen monströse Länge machte aus dem Überholvorgang eine Aufgabe, die in einem überschaubaren Zeitraum unlösbar schien. Vor ihnen hatten der Bug des Containerschiffs und des Tankers einander bereits passiert, daher gab es für niemanden von ihnen eine Möglichkeit zum Ausweichen. Pitt hatte sich ausgerechnet, dass die Fahrrinne breit genug war, dass drei Schiffe einander gleichzeitig passieren konnten, aber er wusste nicht, ob sie für alle drei Schiffe auch tief genug war. Da er selbst die mittlere Fahrrinne einnahm, wo der Kanal am tiefsten sein musste, interessierte es ihn auch nicht besonders.
Der Tankerlotse tat, was er konnte, um sein Schiff zu bremsen, und lenkte es zur rechten Seite der markierten Fahrrinne. Aber da sein Schiff den größten Tiefgang hatte, wollte er es nicht noch dichter an das Ufer heranmanövrieren. Damit hatte es der Lotse des Containerschiffs in der Hand, den Verlauf des Hühnchenspiels zu bestimmen.
Pitt beschleunigte die Dinge, indem er sich längsseits so dicht an den Tanker heranwagte, dass man von einem Schiff aufs andere springen konnte. Allem Anschein nach war eine Kollision unvermeidlich.
Während das Containerschiff aus der anderen Richtung auf sie zuhielt, wappneten sich Pitt und Dirk für die Kollision. Das sich nähernde Schiff, mit himmelhohen Containerstapeln beladen, füllte ihr Gesichtsfeld vollkommen aus, als sein Bug in ihre Richtung zielte. Doch der Lotse war weise genug zu entscheiden, dass am Ufer auf Grund zu laufen allemal sicherer war als eine Kollision, und so lenkte er das Schiff zur Seite, um für Pitt Platz zu machen.
Die Schiffe passierten einander mit minimalem Abstand, wobei der Rumpf des Containerschiffs über den Grund schleifte und sein Propeller sich durch Morast wühlte. Der Lotse und die Deckoffiziere entfesselten eine Flut von Beschimpfungen, während sich die Kommandobrücken der beiden Schiffe auf gleicher Höhe befanden. Pitt lächelte nur und winkte freundlich.
»Dafür verlangen sie ganz sicher deine Lotsenlizenz«, sagte Dirk.
»Stell dir vor, wie wütend sie sein werden«, erwiderte Pitt, »wenn sie erfahren, dass ich so etwas gar nicht besitze.«
Die Fahrrinne vollführte einen Schwenk und verengte sich so, dass die Sicht auf die Salzburg teilweise verdeckt war. Auf ihrer Kommandobrücke wurden Bolcke und Pablo bei dem neuesten Zornesausbruch, der aus dem Lautsprecher drang, wachsam. Als das blaue Containerschiff die Adelaide passiert hatte und der Lotse den Schiffsnamen auf ihrem Heck las, schickte er über Funk weitere Drohungen. » Labrador «, sagte er, »ich werde eine förmliche Klage vor der Kanalverwaltung in Colón erheben.«
Bolcke erstarrte, als der Schiffsname genannt wurde. » Labrador . Das ist doch der Name des entführten Schiffes an unserem Kai.« Er griff nach einem Fernglas und eilte zum hinteren Brückenfenster. Der große Schüttgutfrachter, der eine Meile hinter ihnen an dem holländischen Tanker vorbeizog, war unverwechselbar. Es war tatsächlich die Adelaide .
Er wurde bleich. »Sie sind hinter uns her«, sagte er zu Pablo.
Gelassen betrachtete Pablo den Navigationsbildschirm. »Wir sollten es eigentlich unbehelligt durch die Schleusen vor uns schaffen. Wenn nicht«, fügte er hinzu,
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