Unterdruck: Ein Dirk-Pitt-Roman (German Edition)
Aussicht auf Erfolg gehabt. Aber das Heck hatte nur geringen Tiefgang, so dass sich ihm eine reelle Chance bot. Indem er einen Punkt links von der Drehspindel des Ruders anvisierte, stützte er sich mit Händen und Füßen am Armaturenbrett ab und gab Vollgas.
Mit einem lauten Krachen, gefolgt von einem metallischen Knirschen, traf der Rumpf des Motorboots die Außenkante des Ruderblatts. Der Schwung des kleinen Bootes ließ sein Heck hoch- und aus dem Wasser steigen, bis es fast auf dem Kopf stand. Pitt wurde aus seinem Sitz geschleudert, klammerte sich jedoch an das Ruder, als das Boot wieder zurücksackte. Abermals rammte das Boot das Ruder des Frachters, nur diesmal von oben, blockierte dadurch die Spindel und verbog den oberen Abschnitt der Ruderplatte.
Mit zerschmettertem Rumpf rutschte das kleine rote Motorboot vom Ruder, und sein Innenbordmotor hustete noch einmal wie ein Ertrinkender und stoppte dann. Die schäumende Heckwelle des Erzschiffes schob das havarierte Boot zur Seite – und der stählerne Riese setzte seine Fahrt unbeirrt fort.
Pitt massierte sein Schienbein, das er sich an der Kante der Windschutzscheibe aufgeschlagen hatte, war sonst aber unversehrt geblieben. Bereits Sekunden später hatte Loren ihn kraulend erreicht und zog sich nun in das langsam sinkende Boot.
»Bist du okay?«, erkundigte sie sich. »Das war ja ein Mordskracher.«
»Mir geht es gut.« Er zog sein T-Shirt aus und wickelte es um sein blutendes Bein. »Ich bin nur nicht ganz sicher, ob es irgendetwas genützt hat.«
Er sah dem hoch aufragenden Erzfrachter nach, der sich dem Kreuzfahrtschiff unaufhaltsam näherte. Anfangs war nicht zu erkennen, dass er auch nur ansatzweise seinen Kurs änderte. Doch dann, fast unmerklich, wanderte der Bug der Tasmanian Star nach Backbord.
Als Pitt das Ruder gerammt und um etwa zwanzig Grad verbogen hatte, wollte der Autopilot sofort den Kurs korrigieren. Aber vorher kam es noch zur zweiten Kollision, wodurch Spindel und Scharnier zerstört wurden und das Ruder seine Stellung unverrückbar beibehielt. Auch mit geballtem technischem Einsatz konnten die automatischen Kontrollaggregate die Beschädigungen jetzt nicht mehr kompensieren. Pitt hatte es tatsächlich geschafft, den Frachter ein wenig von seinem Kurs abzulenken. Aber würde dies ausreichen?
An Bord der Sea Splendour nahm Kapitän Franco die Veränderung wahr. »Sie dreht bei!« Francos Augen saugten sich an der kurzen Distanz zwischen dem Bug des Frachters und seinem eigenen Schiff fest. »Sie dreht bei!«
Zentimeter für Zentimeter, dann Meter für Meter begann der Bug des Frachters in Richtung Meeresufer herumzuschwenken. Hoffnungsvolle Augen an Bord der Sea Splendour verfolgten gespannt den Vorgang, und halblaute Bittgebete wurden gemurmelt, dass der Frachter sie, ohne Schaden anzurichten, passieren möge. Aber die Lücke zwischen den Schiffen war einfach zu klein. Ein Kontakt wäre doch nicht zu vermeiden.
Das Nebelhorn des Passagierschiffs blökte ohrenbetäubend, und die Passagiere bereiteten sich auf den Zusammenstoß vor. Die Tasmanian Star wurde keinen Deut langsamer und schickte sich an, das Kreuzfahrtschiff auf der Steuerbordseite zu rammen. Doch im letzten Moment schwenkte der hohe Bug des Frachters weit genug aus, um eine Kollision zu vermeiden, und verfehlte den Achtersteven der Sea Splendour , wie es aussah, nur um wenige Zentimeter. Gut fünf Meter des Frachterbugs glitten vorbei, ehe das erste schrille Aufkreischen von aneinanderscheuernden Stahlplatten erklang.
Der Frachter schüttelte sich, während er an einem überhängenden Heckabschnitt der Sea Splendour entlangschrammte. Das massige Schiff wurde nicht abgebremst und pflügte weiter, während es mit glühenden Stahlsplittern überschüttet wurde. Genauso plötzlich, wie er das Kreuzfahrtschiff touchiert hatte, kam der Stahlkoloss wieder frei und entfernte sich in Richtung Küste. Immer noch mit gut zwölf Knoten Geschwindigkeit unterwegs, nahm der Frachter jetzt ein fünf Meter langes Bruchstück des Achterdecks der Sea Splendour , das sich im vorderen Laderaum verkeilt hatte, auf seiner Irrfahrt mit.
Das Kreuzfahrtschiff hatte sich bei dem Zusammenprall weit nach Backbord geneigt, kam jedoch langsam wieder in seine aufrechte Position zurück. Der Kapitän konnte und wollte nicht glauben, was er soeben erlebt hatte. Die Meldungen, die auf der Kommandobrücke eingingen, nannten nur geringe Schäden. Das Heck war rechtzeitig von Passagieren evakuiert
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