Unterholz: Alpenkrimi (German Edition)
gleich rüber zur Metzgerei Kallinger und kaufst was zum Mittagessen ein. Und zwar auch was für uns und nicht nur für deine Viecherl.«
»Wenn sie sich bis zum Knochen gefressen haben, sondern sie ein bestimmtes Sekret ab –«
»– eine osteolytische Flüssigkeit, die das Knochengewebe nach und nach auflöst«, leierte die Gerichtsmedizinerin ins Diktaphon und grunzte zufrieden. Eine halbe Stunde nachdem sie den sauber und sachkundig abgetrennten Kopf aus der Kühlbox genommen hatte, hatte sie ihn in der Kältekammer des gerichtsmedizinischen Instituts schon auf das genaueste untersucht. Sie legte ihn wieder zurück, streifte die Handschuhe ab und griff nach dem Mobiltelefon.
»Ist denn Kommissar Jennerwein schon bei Ihnen auf der Alm, Becker? Dann stellen Sie auf laut. Ich bin fertig mit der Untersuchung. Die genauen Ergebnisse bekommen Sie wie immer nachgereicht. Das Wichtigste zuerst. Die Frau ist mit einem flachen, breiten Gegenstand erheblich im Gesicht verletzt worden. Das Jochbein ist eingedrückt, Stirnhöhle, Nasennebenhöhlen und Nasenbein ebenfalls.«
»Ein Schlag mit einem Brett zum Beispiel?«
»Ja, könnte sein. Die Knochen der frontalen Gesichtshälfte sind gleichmäßig demoliert.«
»Ein Sturz kann es nicht gewesen sein?«
»Ausgeschlossen, dann müssten am Körper ebenfalls Verletzungen zu sehen sein, aber Sie sagten ja, da ist nichts. Es war schon ein Schlag.«
»Todeszeitpunkt?«
»Den kann ich sogar ziemlich genau bestimmen: 19.00 Uhr, plus/minus eine Viertelstunde, da haben die ersten Silphen ihre Arbeit aufgenommen.«
»Kann es nicht sein, dass die Käfer erst später dazugekommen sind?«
»Dann hätte ich geronnenes Blut gefunden, habe ich aber nicht. Todeszeitpunkt um sieben. So genau bekommen Sie es sonst nie, Jennerwein.«
»Sonst noch Auffälligkeiten?«
»Schicken Sie mir den Rest des Körpers, dann reden wir weiter.«
Jennerwein und Becker bedankten sich.
»Kommen Sie, Ostler, wir sehen uns mal um.«
Der Regen draußen hatte nicht aufgehört, er war eher stärker geworden. Sie spannten ihre Schirme auf. Ostler und Jennerwein waren keine hundert Meter gegangen, da erreichten sie einen kleinen Schuppen. Es war eher ein nach allen Seiten offenes Holz- und Gerätelager als ein Schuppen. Die Abdeckung aus robuster, grobkörniger Dachpappe hielt den Regen ab und schützte die sauber aufgestapelten Holzstämme und -bretter. In einer Ecke des Schuppens waren Arbeitsgeräte für die Feld- und Holzarbeit gelagert. Ein paar Sensen, die von der Decke hingen. Mistgabeln, Heugabeln, die auf einem Haufen lagen.
»Was sind denn das für spitze Haken?«, fragte Jennerwein und wies auf ein paar pickelähnliche Werkzeuge, die an der Wand hingen.
»Das sind Zapine«, sagte Ostler. »Die braucht man im Wald, um Baumstämme zu ziehen. Unangenehm als Schlagwaffe, aber in diesem Fall nicht das Werkzeug, das wir suchen.«
»Das ist richtig, Ostler. Der Täter nimmt eines der flachen Werkzeuge oder ein Brett«, sagte Jennerwein. »Er geht damit zu der Zirbe, erschlägt die Frau, geht wieder zurück zu diesem Schuppen, stellt das Tatwerkzeug wieder ordentlich zurück – Können Sie sich das vorstellen?«
»Nein, eigentlich nicht.«
»Also, versuchen wir es nochmals: Gestern Abend hat eine Seminarteilnehmerin genug von ›Personalführung‹, ›Zeitmanagement‹ und ›Mobbingstrategien‹, sie macht Feierabend und setzt sich an den Baum.«
»Dann nähert sich der Mörder«, spekulierte Ostler. »Kennt sie ihn?«
»Da bin ich mir sicher. Er holt aus und schlägt der Frau mit voller Wucht ins Gesicht. Sie ist zu überrascht, um zu schreien oder sich zu wehren. Er ist sich sicher, dass sie tot ist. Da sieht er einen Käfer krabbeln, noch einen.«
»Er denkt sich: Ja super, die erledigen meine Arbeit. Er setzt ihr den Schlapphut auf, trägt die Tatwaffe zurück und mischt sich unter die anderen.«
»Becker soll sich alles in diesem Schuppen ansehen«, sagte Jennerwein. »Aber ich glaube nicht, dass die Tatwaffe darunter ist.«
15
Hausarbeit aus der Naturkunde, 2. Klasse
Die arme Frau McRae liegt im Unterholz. Ein Hase kommt dahergehoppelt und frisst ihre Leber auf. Ein neugieriges Eichkätzchen beißt sich in ihrem Hals fest. Ein Käfer kriecht auf die Hand und beginnt, daran zu knabbern.
Unterstreiche den Satz mit dem richtigen Tier! Denke an die letzte Stunde, als wir alle diese Tiere und ihre Fressgewohnheiten durchgenommen haben! Erinnerst du dich daran? Gib dir Mühe!
Ein
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