Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Unterm Messer

Unterm Messer

Titel: Unterm Messer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Rossmann
Vom Netzwerk:
in drei Verzeichnisse: Bilddateien, Textdateien und eine Tabellendatei. Außerdem mache ich von der Festplatte eine Kopie und nehme sie mit.“ Er schließt ein externes Laufwerk an. Ich bin gerade erst dabei, die Nummer der Wissenschaftlerin herauszusuchen, da sagt er schon: „Und jetzt ruft der Neusiedler See.“
    „Du bist mit Freunden?“, fragt Vesna, nachdem wir ihm gedankt und ihn geküsst haben.
    „Hab ich doch schon gesagt.“
    „Und Freundinnen sind keine dabei? Ich meine von Uni oder so, die auch studieren.“
    Er grinst. „Sind auch welche dabei.“
    „Und?“, fragt Vesna.
    „Wird sicher nett“, antwortet ihr Sohn, gibt ihr noch einen Kuss und eilt davon.
    „Warum er kann nicht sagen ...?“, schüttelt Vesna den Kopf.
    „Weil du immer alles wissen willst“, erwidere ich.
    Von der Genetikerin Natalie Veith wollen wir etwas ganz anderes wissen: Sind auf dem Laptop irgendwelche Forschungsergebnisse, die uns weiterbringen? Hoffentlich geht sie an ihr Mobiltelefon. Ich habe inzwischen ja mitbekommen, dass sie keine ist, die es ununterbrochen mit sich herumschleppt, um rund um die Uhr erreichbar zu sein. Glück gehabt. Nach dem dritten Läuten hab ich sie dran. Heute am späten Nachmittag könnten wir uns treffen.
    „Und wie wäre es mit jetzt sofort?“, frage ich.
    „Ich wollte gerade essen gehen. Ich war eineinhalb Stunden joggen und habe nicht gefrühstückt.“
    „Und wenn ich für Sie koche?“ Unser „Ausflug“ von den Fremdenzimmern der Tante sollte nicht zu lange dauern. Außerdem habe ich das Gefühl, dass uns die Zeit davonrennt. - Wird es dieses Gefühl auch noch geben, wenn wir alle doppelt so alt werden? Sicher. Hat ja nichts mit der Gesamtzeit, sondern immer mit der Momentzeit zu tun. Mit dem kleinsten Teilchen der Zeit, dem Augenblick. Alle unmessbaren Augenblicke zusammen wären womöglich die beste Annäherung an die Unendlichkeit, hat Schwester Gabriela gesagt - sollte sie „Unendlichkeit“ nicht anders definieren?
    „Okay“, antwortet Natalie Veith. „Ich habe die Freundin, mit der ich essen gehen wollte, noch nicht angerufen. Und ich bin neugierig.“
    Wir geben ihr die Adresse von Vesnas Büro, besser, wir bleiben hier. Ich weiß nicht, ob Oskar seine Geschäftspartner nicht auf unsere Terrasse einlädt. Neben Vesnas Büro ist ihre frühere Wohnung. Seit einem Jahr soll das Haus abgerissen werden, aber nichts ist passiert. Wahrscheinlich geht es ohnehin bloß um ein Spekulationsgeschäft: Wer bekommt wann wie viel für dieses Grundstück in einer ruhigen Seitenstraße innerhalb des Gürtels? Jana, Frans Zwillingsschwester, lebt hier. Aber sie ist für zwei Wochen auf Urlaub. Vesna sperrt auf und sieht sich kritisch um. Anders als ihr Bruder, ist Jana nicht eben ordentlich. „Dabei sie kann gar nicht schlecht putzen, wenn sie bekommt Geld dafür“, murmelt Vesna, Eigentümerin der Firma „Sauber! Reinigungsarbeiten aller Art“.
    Während ich die Vorräte durchsehe, macht sich Vesna daran, die Küche aufzuräumen. „Wie können Kinder nur sein so verschieden?“, stöhnt sie. „Dabei sie waren sogar gleichzeitig in meinem Bauch.“
    „Weil genetische Disposition eben doch nicht alles ist“, sage ich weise.
    Vesna nickt. „Da habe ich wirklich Beweis.“
    Natalie Veith hat Hunger. Ich kenne ihr Essverhalten nicht. Doch ich weiß: Ich möchte, dass sie sich möglichst schnell mit dem Laptop beschäftigt. - Was Jana eingekauft hat, hat nichts mit traditioneller Vorratshaltung zu tun. In ihrem Kühlschrank gibt es außer Haltbarmilch, einer Packung Passionsfruchtsaft und einem Stück eingeschweißtem Pressschinken gar nichts. Ich sehe auf das Ablaufdatum des Schinkens: Ende Oktober. Hinweise auf eine Menge Zusatzstoffe. Eher das Gegenteil von einem Bauernprodukt. Dafür aber vielfach geprüft. Wobei man diese Substanzen, mit denen man die Muskelbildung anregt, offenbar gar nicht nachweisen kann. Gilt das eigentlich nur für Menschen oder auch für Schinken? Ich hätte bei der Tante ein paar Blätter einpacken sollen. Im Tiefkühlfach gammelt bloß eine halbe Pizza herum.
    Wenigstens gibt es Olivenöl. Ansonsten scheint Jana Tomaten zu mögen: Es gibt getrocknete Tomaten, Tomatenfleisch im Tetrapak und Ketchup. Und jede Menge Dosenfisch: Von Nuri-Sardinen über Tintenfisch in Lake bis Thunfisch in Öl und geräucherte Austern ist alles da. Nudeln. Daneben ein Paket Couscous. Okay, das könnte gehen.
    „Wenn sie will Wein, ich habe einen im Büro“, sagt Vesna.

Weitere Kostenlose Bücher