Unterm Messer
verfärbt. Es hatten sich ein paar Kunden beschwert. Grünwalds Gäste sind manchmal ziemlich anspruchsvoll.“
Ich sehe die Nonne irritiert an: „Was könnte in der Creme drin gewesen sein?“
„Ich dachte an irgendeine Verunreinigung. Oder dass sie sich eben ungeschickt ausgedrückt und gemeint hat, sie wisse jetzt, woher die Verfärbung komme. - Sie scheint das mit dem ,lieben Menschen' mehr beschäftigt zu haben als die Sache mit der Creme. Als ich sie nach der Creme gefragt habe, hat sie so etwas gesagt wie: ,Er hat sich so geärgert. Kann es sein, dass ein lieber Mensch nicht der ist, der er vorgibt zu sein?' Ich hab leider nicht gut genug zugehört.“
Wen kann sie damit gemeint haben? „Können Sie sich vorstellen, dass sie das auf Grünwald bezogen hat?“
Die Nonne wiegt den Kopf. „Auszuschließen ist es nicht. Sie hat eigentlich alle Menschen für lieb gehalten. Mir selbst würde das zu ihm nicht gerade einfallen.“
Ich schüttle den Kopf. Und doch: Auch seine Freundin hat es gesagt: „Du bist so lieb.“ Was, wenn auch Schwester Cordula mit ihm ... Unsinn.
„In den letzten Tagen bin ich auf eine andere Idee gekommen. Der Mensch, von dem sie am meisten erzählt hat, war der Energetiktrainer. Dieser Sam Miller, der den Wellnessbereich leitet. Und ich habe nachgesehen. Wir hatten im Kloster gar keine Ringelblumencreme mehr. Sie war uns ausgegangen. Wahrscheinlich wollte sie sie nachproduzieren, aber vorher eine verfärbte Creme analysieren.
„Wenn die Ringelblumencreme im Kloster aus war: Wo könnte sie gesehen haben, dass da was drin war, das nicht hineingehörte?“, will ich wissen.
Die Nonne seufzt. „Natürlich könnte sie selbst noch Ringelblumencreme gehabt haben. Die ist dann allerdings verschwunden. Gefunden habe ich keine bei ihr. Die Polizei hätte sie wohl kaum mitgenommen. Wer interessiert sich schon für eine Creme? Dann könnte es sie noch in der ,Beauty Oasis‘ geben: an der Rezeption, wo sie alles verkaufen, was im Glasschrank ausgestellt ist, oder im Fitnessbereich bei Sam Miller. Außerdem natürlich noch bei Gästen, die sich die Creme gekauft haben. Und bei Kunden, die sie übers Internet bestellt haben.“
Ich sehe die Nonne an: „Wenn ich Ihnen so eine Creme bringe, in der etwas drin ist, das nicht hineingehört: Können Sie herausfinden, was Schwester Cordula gemeint haben könnte?“
„Vielleicht. Sicher bin ich nicht. Ich hab auch schon daran gedacht, dass es nicht um die Verfärbung ging, über die sich einige beschwert haben. Dass Schwester Cordula einfach einen Fremdkörper in einem Tiegel mit Creme entdeckt hat. Eine Fliege. Ein Minimikrofon. Einen Ring, der ihr bekannt war.“ Sie seufzt. „Es gibt so viele Dinge, die in einen Cremetiegel passen.“
„Einen USB-Stick“, sage ich, bevor ich es noch fertig gedacht habe.
„Einen USB-Stick?“, wiederholt die Nonne. Ich will ihr schon erklären, was das ist, als ich begreife, dass sie das natürlich weiß. „Aber den hätte sie wohl mitgebracht und mir gezeigt.“
„Da ist leider etwas dran. Aber wenn sie ihn bloß gesehen und daraufhin den ,lieben Menschen' zur Rede gestellt hat?“
„Sie scheint ihn gar nicht darauf angesprochen zu haben.“
„Und warum sollte der ,liebe Mensch' dann sauer geworden sein?“
Schwester Gabriela runzelt die Stirn. „Ich weiß leider nicht mehr exakt, wie sie sich ausgedrückt hat. Sie hat so etwas Ähnliches gesagt wie: ,Ich hab bloß gefragt, was er im Labor tut.' Und dann hat sie erzählt, dass sich der ,liebe Mensch' darüber sehr geärgert habe. Und sie hat mich gefragt, ob sie sich in ihm so getäuscht haben könnte.“ Sie seufzt. „Ich habe dem Ganzen keine besondere Bedeutung beigemessen. Wie gesagt: Schwester Cordula war häufig ein wenig verwirrt, wenn sie auf die Welt draußen getroffen ist.“
„Labor. Das spricht für Grünwald. Oder für Schilling“, überlege ich. „Auf alle Fälle hat sie ,er' gesagt.“
„Das habe ich mir auch schon überlegt. Aber das ,er‘ könnte sich auch bloß auf ,der Mensch' bezogen haben. Und: Dass Schilling im Labor war, hätte sie wohl nicht gewundert. Außer sie hätte gewusst, dass er eigentlich ganz woanders sein sollte. Und was Grünwald angeht ... ich habe mir erst vor Kurzem gedacht, dass er oft zu den unmöglichsten Zeiten an den unmöglichsten Orten auftaucht. Bis vor einigen Monaten war er kaum woanders als in seinem Büro und in den Operationssälen zu finden, aber in letzter Zeit war er überall
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