Unterm Messer
spezialisiert auf biomedizinische Prozesse.“
Na super, fängt ja schon gut an. „Oh, sorry.“
„Ist ihr mit Sicherheit egal. Sie liebt das Büro am Anfang des Ganges. Und ich fürchte, sie liebt es, bisweilen Menschen in Verlegenheit zu bringen. Dummerweise sind Wissenschaftler nicht so ohne Weiteres an ihrem Äußeren zu erkennen. Im Büro tragen wir nicht einmal einen weißen Mantel. — Was kann ich für Sie tun? Ich sollte heute noch einiges erledigen ...“ Sie deutet auf einen kleinen runden Holztisch mit drei Chromstahlsesseln. Wir setzen uns.
„Ich schreibe an einer Story über Professor Grünwald, den Schönheitschirurgen.“
Der Blick der Wissenschaftlerin wird deutlich distanzierter. „Und da sind Sie dahintergekommen, dass ich einige Monate für ihn gearbeitet habe.“
Jedenfalls redet die Genetikerin nicht lange herum. „Ja, ich wollte Sie um eine Einschätzung seiner Person bitten. Und dessen, was er in seinem Labor macht.“ Ich denke, es ist besser, nicht gleich mit der ermordeten Nonne zu beginnen.
„Okay, wenn Sie wollen, kriegen Sie ein offizielles Statement. Möchten Sie das nicht aufnehmen?“
Die Lady ist tougher, als ich dachte. Und sie will mich offenbar schnell wieder loswerden. Einigermaßen irritiert ziehe ich mein Aufnahmegerät heraus. „Ich dachte zuerst einmal an ein Gespräch, da muss ich nicht mitschneiden.“
„Drehen Sie das Gerät auf und Sie können Wort für Wort veröffentlichen, was ich Ihnen sage.“ Professionelle Unfreundlichkeit pur.
Eigentlich eigenartig, dass sie dermaßen feindselig auf den Namen Grünwald reagiert. Kann schon sein, dass da zwei Welten aufeinanderprallen, Wissenschaft und Schönheitschirurgie, aber ... Ich schalte ein. Sie hat es registriert und konzentriert sich. Sie diktiert druckreif: „Dr. Grünwald ist mit Sicherheit ein anerkannter Schönheitschirurg. Ich trete für die Freiheit jedes Menschen ein, über sich selbst entscheiden zu können. Also kann ich auch nichts gegen ästhetische Korrekturen haben, solange sie von mündigen Personen bei vollem Wissen um das Risiko bei einem Eingriff in die körperliche Integrität gewünscht werden. Wofür ich mich als Wissenschaftlerin einsetze, ist die möglichst objektive und nicht an einzelne Spezialisten gebundene Aufklärung der Bevölkerung über mögliche Neben- und Langzeitwirkungen solcher nicht durch Krankheit indizierter Operationen.“ Dr. Veith sieht mich an. „Ach so“, sagt sie dann. „Das Labor.“ Sie denkt kurz nach, diktiert weiter: „Es stimmt, dass ich von November 2005 bis März 2006 im damals neu gegründeten Labor von Dr. Grünwald mitgearbeitet habe. Es handelte sich bei mir um eine berufliche Übergangsphase, die für meine Biografie als Wissenschaftlerin unwesentlich ist. Damals hat er in seinem Labor vor allem sogenannte Anti-Aging-Produkte getestet. Meine Aufgabe war es, die biomedizinischen Auswirkungen zu klären. Während dieser Zeit lief die Ausschreibung der Stelle als Leiterin des Genetic Research Austria. Als man mir die Institutsleitung anbot, habe ich natürlich mit großer Freude angenommen. Was mich und meine Kollegen beschäftigt, ist das Genom, sind genetische Programme und die Möglichkeit, Wege zu finden, durch die genaue Kenntnis von Genen und ihren Wirkungsweisen Krankheiten zu bekämpfen oder zu verhindern.“
Dr. Veith steht auf. Ich bleibe sitzen. So leicht werde ich es ihr nicht machen. „Sie forschen momentan vor allem an Altersgenen? Das passt mit Professor Grünwalds Anti-Aging-Produkten doch ganz gut zusammen, oder? Jugendkult aus verschiedenen Perspektiven.“
Von Freundlichkeit ist jetzt keine Spur mehr. „Stellen Sie das Aufnahmegerät ab. Das, was ich Ihnen jetzt sage, ist nicht zur Veröffentlichung bestimmt. Es wäre besser, ich würde es gar nicht sagen, jedenfalls: Sollte ich etwas davon lesen, verklage ich Sie. Okay?“
Ich nicke brav, schalte das Gerät für sie sichtbar ab und verstaue es tief in meiner Tasche.
„Sie nennen Grünwald , Professor', nicht wahr? Alle tun das, ich weiß“, beginnt die Genetikerin.
„Ich wollte nicht schon wieder einen Fehler machen wie bei Ihrer Medizinerin.“
„Die ordentliche Universitätsprofessorin ist. Wissen Sie, woher Grünwald seinen Titel hat?“
Ich schüttle beschämt den Kopf. Hätte ich eigentlich recherchieren können.
„Sie werden es auch im Internet sehr schwer finden. Er ist Honorarprofessor an der ,Hugo-Grotius-Universität‘!“
Na gut, ein
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