Unterm Messer
stillgelegt. Dort, wo der alte Wellnesstrakt ist, kommt offenbar oft wochenlang niemand hin.“
„Da war das also. Aber in diesem Stock ist doch auch immer noch das Labor, oder?“
„Ja, allerdings genau am anderen Ende.“
Die Wissenschaftlerin nickt. „Stimmt. Ich erinnere mich. Da war eine massive Brandschutztür. Ich wollte mich damals einmal dahinter umsehen. Die Tür war versperrt.“
Seltsam, warum war sie in den letzten Tagen offen?
„Gibt es irgendeine Idee, was die Nonne von mir wollte? Warum war die Polizei noch nicht bei mir?“
„Weil die Leiterin des Klosters offenbar nur mir von dem Zettel erzählt hat. Auch sie hat keine Ahnung, warum Schwester Cordula Ihren Namen notiert hat. Wir wissen bloß, dass sie bisweilen in dem Labor arbeiten durfte. Sie war zuständig für die Herstellung der klostereigenen Hildegard-Produkte.“
„Mein Personengedächtnis ist leider ziemlich schlecht ... Aber ich glaube, ich erinnere mich jetzt. Sie war noch ziemlich jung für eine Nonne. Sie hatte studiert. Ich habe ihr erlaubt, unser Hochleistungsmikroskop zu benutzen.“
„Sie war achtunddreißig, als sie starb.“ Ich sehe Natalie Veith an. „Und was wollen Sie von mir? Dass ich behaupte, Grünwald sei es gewesen? Weil jemand wie ihm alles zuzutrauen sei? Dass ich Schmutzwäsche von vor fünf Jahren auspacke? Dass ich selbst gestehe?“
Ich schüttle den Kopf. „Ich möchte dem Tod der Nonne auf die Spur kommen. Und ich möchte herausfinden, was sich hinter der Hochglanzfassade der ,Beauty Oasis' abspielt.“
„Grünwald hat einen Haufen guter, teurer Anwälte. Er hat Freunde in den höchsten Kreisen, wie man so schön sagt. Er weiß über viele angeblich wichtige Menschen Dinge, die sie nicht gerne an der Öffentlichkeit hätten.“
„Klingt nach einer Kreuzung aus Mr. Hyde und Frankenstein“, antworte ich ein wenig spöttisch. „Mir ist Grünwald mit dem gekauften Professortitel und seinem Protzgehabe samt teurer Golduhr und Maserati eher aufgeblasen als gefährlich vorgekommen. Zumindest solange keine Säuren oder Skalpelle in seiner Nähe sind.“ „Unterschätzen Sie ihn nicht.“ Das sagt die Wissenschaftlerin ernst. Ich würde zu gerne wissen, was hinter ihrem kurzen Gastspiel in der ,Beauty Oasis‘ steckt. Übergangsjobs hätte sie mit ihrem Lebenslauf sicher bessere gefunden. — Oder ist der Markt für Genetikerinnen kleiner, als ich glaube? Ich muss mich entscheiden. Erzähle ich Natalie Veith vom geheimen Labor des Dr. Grünwald? Was kann geschehen, wenn ich es tue? Dass sie es der Polizei steckt? Der müssen wir sowieso davon erzählen. Wer sagt mir, dass die Wissenschaftlerin das Geheimlabor nicht ohnehin gut kennt? Es gäbe noch eine Möglichkeit. Ich könnte bluffen. „Nur etwas noch“, sage ich langsam. „Das geheime Labor im Keller. Das haben doch Sie aufgebaut. Da ging es doch um etwas ganz anderes als um Cremes, oder?“
Sie starrt mich an.
„Es gibt Beweise. Und es gibt deutliche Hinweise darauf, dass der Tod der Nonne damit zu tun hat.“
„Mit Ihnen werde ich sicher nicht darüber reden. Wenn die Polizei mir Fragen stellt, ist das etwas anderes.“
„Glauben Sie wirklich, dass ein Provinzpolizeikommissariat intensiv nachforschen wird, wenn es um einen der Vorzeigebetriebe der Gegend geht? Was haben Sie gerade über Grünwald und seine exzellenten Verbindungen gesagt? Man wird zum Schluss kommen, dass die tote Nonne ein Verhältnis hatte und sich heimlich mit ihrem Liebhaber getroffen hat. Als sie ankündigte, das Kloster zu verlassen und ihre Liebe zu leben, war ihm das zu viel. Er hat sie betäubt und die Sauna zugenagelt.“
„Sie haben einen blühende Fantasie“, murmelt die Wissenschaftlerin und sieht mich forschend an. „Was treibt Sie dazu, die Wahrheit herausfinden zu wollen? Eine Exklusivstory?“
Ich erinnere mich an vorgestern Nacht. An die Hitze. An den Geruch. An die halb geöffnete Tür der Sauna. „Ich habe den nackten gegarten Frauenkörper am Boden gesehen, das Gesicht ganz nah an der Türritze am Boden.“
Eine Zeit lang sagen wir beide nichts.
„Kommen Sie mit, ich muss einige Ergebnisse überprüfen.“ Die Stimme der Genetikerin klingt rau. Ich trabe hinter ihr her in den Gang, wir gehen durch die Tür neben ihrer, sind in einer Art Bibliothek, von dort geht es weiter in einen kleinen Raum, in dem weiße Mäntel hängen. Es gibt sie also doch noch.
„Ziehen Sie einen an. Beugt Verfälschungen unserer Ergebnisse vor, ist aber auch
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