Unterm Messer
,Beauty Oasis‘ vorgeht.
Sieh an, der ,Magazin‘-Geschäftsführer hat mir eine Mail geschickt. Kommt äußerst selten vor.
„Liebe Frau Valensky, mit Zufriedenheit habe ich den heutigen Agenturmeldungen entnommen, dass ich ein gewisses redaktionelles Gespür haben dürfte. Mit meiner Vermutung, dass es sich beim Tod der Nonne um eine Beziehungstat gehandelt hat, habe ich also ins Schwarze getroffen. Ich bin auf die Fortsetzung der Story über Sex und Rache im Nonnenkloster schon sehr gespannt und habe den Chefredakteur angewiesen, Sie entsprechend zu unterstützen, mfg G. J.“
An sich hat der Geschäftsführer mit dem Inhalt des ,Magazin‘ nichts zu schaffen. Aufgeblasener Idiot. Er wird sich noch wundern. Soll ich ihm gleich ... Dann fällt mir etwas Besseres ein. Ich weiß, dass sich Klaus über die Formulierung „angewiesen“ ziemlich ärgern wird. Ich sollte ihn daran erinnern, mit wem er es zu tun hat. Steht dem Geldzähler einfach nicht zu, dem Chefredakteur etwas zu befehlen. Ich schreibe zuckersüß zurück und schicke Klaus das Ganze cc:
„Herzlichen Glückwunsch und vielen Dank für Ihre aufmunternde E-Mail. Selbstverständlich werde ich alles tun, um Ihren Erwartungen gerecht zu werden, mfg M. V.“ Klingt irgendwie ironisch. Soll es auch.
Anruf bei Oskar. Ja, ich sei wieder in Wien, noch im ,Magazin‘. Ich könne nichts dafür, wenn mich der Bezirkschefinspektor ins Vulkanland beordere und dann der Laborchef tot aufgefunden werde. Ja, es sei wahr, dass als Täterin eine alte Nonne vermutet wird.
„Wir können darüber beim Essen reden“, flöte ich, als er mich fragt, was ich jetzt vorhabe. „Wenn du einkaufst, kann ich etwas kochen. Eine Stunde ungefähr brauche ich noch in der Redaktion.“
„Und was soll ich einkaufen?“, lautet seine Antwort. Oskar ist ein erwachsener, erfolgreicher, entschlussfreudiger Mann. Er liebt gutes Essen und kann sogar selbst kochen. Und trotzdem fragt er mich jedes Mal, was er einkaufen soll. Ich habe jetzt wirklich keinen Kopf dafür und sage das Klassische: „Was dir unterkommt.“
Stille in der Leitung.
„Biolachs und Rotwein“, sage ich dann. Lachs gilt seit Neuestem nicht in erster Linie als fett, sondern als gesund. Zumindest wenn er nicht zu viele Antibiotika enthält. Und solange die US-Behörden den Lachs mit dem veränderten Gen zwecks Wachstumsbeschleunigung noch nicht zugelassen haben. Was Rotwein angeht, soll der ja sogar lebensverlängernd wirken. Jedenfalls schmeckt er besser als Grünwalds Pillen, da bin ich mir sicher.
„Warum?“
„Weil ich etwas ausprobieren möchte.“ Keine Ahnung, was das sein könnte, aber darüber kann ich mir später Gedanken machen. „Hab dich lieb“, füge ich noch versöhnlich hinzu.
„Ich dich auch, Mira.“ Es klingt eher wie ein Ächzen.
Und jetzt endlich sehe ich mir an, was auf der DVD meiner Fotografin ist.
Beinahe verwunschen wirkt der große in den Hügel hineingebaute Gebäudekomplex in der Dämmerung. Keinerlei Lichter, so als wäre für alle ein langer Schönheitsschlaf angesagt. Auf dem fünften Bild sieht man am äußersten Rand zwei Lkw. Ich vergrößere das Foto. Die Aufschrift der Lkw ist trotzdem nicht zu entziffern. Auch bei hoher Pixelzahl ist irgendwann einmal Schluss. Jetzt habe ich nur noch einzelne Punkte auf dem Bildschirm. Ich zoome kleiner. Keine Chance. Auf den nächsten vierzehn Fotos sehe ich Menschen in Stecknadelkopfgröße, einige Pkw, darunter ein weißer BMW. Es könnte der Wagen des Salvadorianers sein. Allerdings: Weiße große BMW sind im Umfeld der Schönheitsklinik nicht eben selten. Wer drin sitzt, lässt sich wohl nicht einmal mit den Methoden unserer Fotoredaktion herausfinden. Nächstes Bild. Ein Lkw, der aussieht wie jene, die viele Bilder davor auf die ,Beauty Oasis‘ zugefahren sind. Jetzt fährt er von dort weg. Inzwischen gibt es auch schon deutlich mehr Licht. Ich zoome langsam und vorsichtig heran und endlich kann ich in verwischten Buchstaben lesen: „Beauty&Young“. Eigentlich naheliegend, dass sie die eigenen Lkw zum Abtransport des Geheimlabors verwendet haben. Klar können sie aber auch mit dem Lkw ganz zeitig in der Früh ihre Cremes geliefert haben. Ich klicke auf das nächste Foto. Kein Lkw. Noch vier Bilder. Nichts. Wo ist der zweite Lkw geblieben? Es folgen einige Detailaufnahmen. Maisstängel mit Tautropfen, dahinter, angedeutet, das Gebäude. Zoom auf die Terrasse mit dem polizeilichen Absperrband. Ist nicht ganz scharf geworden,
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