Unterm Messer
kommen, nur in ein wenig Butter und Olivenöl geschwenkt, unter den Fisch. Zwei große Pastateller habe ich in den Mikrowellenherd gestellt. Ist sich gerade ausgegangen. Eine Minute, und sie sind heiß - oder zersprungen. Ich werde es riskieren. Nichts Schlimmeres als kaputte Teller soll heute noch passieren.
In eine Pfanne mit hohem Rand habe ich drei Finger hoch Rotwein gegossen. „Rotwein haben wir wirklich genug zu Hause“, hat Oskar gesagt, als ich ihn gefragt habe, welchen er mitgebracht hat. Ich habe also im Weinschrank gekramt und einen fruchtigen Zweigelt gefunden. Dazu ein großzügiges Stück Butter, einen guten Schuss Olivenöl, etwas Salz, einen Chili im Ganzen — zum Glück habe ich immer welche tiefgefroren. Ich überlege, ob ich noch mit ein wenig Kardamom würzen soll, aber der warme Wein riecht so gut, dass ich es sein lasse. Kann man zur Not auch am Tisch noch tun.
Lachs hat Oskar so viel eingekauft, als würden wir Gäste erwarten. Vesna. Sie mag Lachs. Bitte, melde dich! Ich werde nicht sauer sein, nur weil es keinen wichtigen Grund gegeben hat, dass du so lange nichts von dir hast hören lassen. Ehrlich. Ich werde dir auch Lachs nach genau diesem Rezept zubereiten — vorausgesetzt, das Experiment glückt. Aber bitte: Schick mir endlich eine Nachricht, damit ich weiß, dass es dir gut geht!
Ich ziehe dem Fisch die Haut ab, zupfe die paar Gräten, die fast immer noch drin sind, heraus, schneide das Filet in vier rund fünf Zentimeter breite Stücke. Der Wein kocht auf, ich programmiere die Induktionsplatte auf 90 Grad, 100 Watt. Zum Poelieren ist Induktion perfekt. Die Flüssigkeit wird nicht mehr kochen, nur leicht perlen. Ich lege die Fischstücke ein, beschwere sie mit einem Metalldeckel, ihre Zeit, zu schwimmen, ist vorbei. Dann decke ich die Pfanne zu. Zwei Minuten dürften reichen. Dann ist der Lachs innen noch fast roh und außen zart gar gezogen. Und, wenn mir gelingt, was ich vorhabe, von einer interessant rötlichen Farbe. Pappardelle ins Kochwasser, eine Stielpfanne mit etwas Butter, Olivenöl und Salz anwärmen.
Vier Minuten. Ich könnte zu Oskar hinüber und einen Schluck Wein nehmen. Ausnahmsweise gibt es zum Trinken nicht den gleichen Wein, wie den, der im Gericht ist. Das wäre in diesem Fall zu viel vom Gleichen. Ich habe mich für einen reifen Riesling entschieden. Aber wenn ich zu Oskar gehe ... er könnte mich etwas fragen, das ich ihm nicht beantworten möchte. Weil ich nicht will, dass er sich Sorgen macht. Sorgen mache ich mir selber genug. Er wirft mir einen Blick zu. Ich winke so fröhlich wie möglich. „Gleich fertig!“, rufe ich.
Die Rotweinflasche ist noch zu einem Drittel voll. Oskar blättert in der Zeitung. Ich nehme die Flasche und mache einige schnelle Schlucke. Er hat es nicht gemerkt. Es hat gutgetan. Zumindest für den Moment. Wein zur Beruhigung. Direkt aus der Flasche. Das sollte dir nicht zur Gewohnheit werden, Mira. Eine Minute Mikrowelle. Start. Die Pappardelle sind unterdessen fertig. Ich fische sie mit einem Siebschöpfer und einer Gabel heraus und gebe sie in die Stielpfanne. Kurz schwenken. Die Mikrowelle läutet. Die Teller sind ganz geblieben. Und sind sauheiß. Ich schnappe sie mit zwei Topflappen und stelle sie auf den Anrichteplatz. Ein gutes Zeichen. Ich nehme es als gutes Zeichen. Auch Vesna ist noch ganz. Ich würde im Moment alles als gutes Zeichen nehmen. Ich verteile die Nudeln auf die Teller, decke den Fisch ab, hebe den Lachs vorsichtig heraus. Lilarosa. - Gibt es diese Farbe überhaupt? Wenn nicht, habe ich sie hiermit erfunden. Ich setze jeweils ein Stück auf die Pappardelle, begieße es mit etwas Rotweinfond. Fleur de Sel darüber. Deckel auf die beiden übrigen Lachsfilets. Sie schmecken auch kalt gut. Kann ich mir zumindest vorstellen. Servieren. Ich schreie auf. Ich habe unterschätzt, wie heiß die Teller noch sind. Brandblase. Kein Problem. Nichts Schlimmeres als eine Brandblase soll heute noch passieren. Ich nehme zwei Topflappen und trage die Teller zum Tisch.
„Das riecht ja wirklich gut“, sagt Oskar. Wirkt, als wäre er überrascht. Für einige Momente vergesse ich meine Anspannung. Ich steche mit Messer und Gabel in den Fisch. Innen glasig lachsrosa. Außen zart gegart lilarosa. Ich koste und sehe Oskar zu, wie er einen Bissen in den Mund steckt.
„Das ist dir gelungen“, sagt er geradezu beeindruckt.
Das Telefon. Es läutet. Ich habe es in der Küchenzeile liegen lassen. Ich stürze hin. „Ja?“
Es ist
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