Unterm Messer
Meer und sperrt sein Hotel zu. Ein ausgiebiger Besuch bei meiner Freundin Eva im Weinviertel. Neue Weine verkosten, in ihrem Innenhof langsam müde werden. Wer braucht ein längeres Leben? Ein gutes zu haben, darum geht es. - Dann gehe ich endgültig zur Tür, streichle noch einmal Gismo, die offenbar schon alles aufgefressen hat, schubse sie zurück in die Wohnung und sperre von außen ab.
Es ist kurz nach sieben, als ich von der Bundesstraße Richtung Kloster einbiege. Im Radiowetterbericht haben sie erzählt, dass die Hitzeperiode andauern wird. Wunderbar. Mir kann es nicht heiß genug sein. In den Nachrichten kein Wort über die beiden Morde rund um die ,Beauty Oasis‘ . Was bedeutet, dass es nichts Neues gibt. Besser so. Vor dem Kloster scheint einiges los zu sein. Ich fahre näher hin, parke am Straßenrand, nehme den Fotoapparat aus der Tasche. Ganz klar, Polizeiaktion. Außer mir keine Journalisten. Das glaubt mir keiner, dass ich zufällig zur richtigen Zeit gekommen bin. Zwei Autos mit Blaulicht. Ein Polizist in Uniform sieht mich verwundert an. Er scheint zu überlegen, ob er mich vertreiben soll. - Razzia im Nonnenkloster? Einigermaßen seltsam. Die Eingangstür ist offen. Zwei Polizisten in Uniform kommen heraus. Dann Knobloch. Neben ihm Schwester Gabriela. Sie hat die Hände gefaltet, hält einen schwarzen Rosenkranz, den Blick gegen Himmel gerichtet murmelt sie halblaut Gebete. „Heilige Maria, Mutter Gottes ... “ Der Chefinspektor hält sie am Ellbogen fest, eher als ob er einen Sturz verhindern, als wie wenn er sie abführen wollte. Dahinter wieder zwei Polizisten. Scheint mächtig gefährlich zu sein, diese alte Nonne.
Ich renne hin, rufe: „Schwester Gabriela!“ Sie scheint mich gar nicht wahrzunehmen, sie betet weiter, sieht weiter hinauf zum Himmel. Ich bleibe einige Schritte von den Polizeiwagen entfernt stehen. Knobloch blickt mich verärgert an, sagt aber nichts. Einer der Polizisten öffnet die hintere Autotür, Knobloch schiebt die Nonne vorsichtig hinein, sie setzt sich, offenbar ohne zu registrieren, wo sie ist. Die Hände noch immer gefaltet. „... bitte für uns Sünder ...“ Die Polizisten steigen ein, Knobloch geht ums Auto herum, ich renne hin. Sehe, dass in der Tür zum Kloster zwei Nonnen stehen. Wie Statuen. Standbilder alt gewordener Dienerinnen Gottes.
„Was ist das?“, frage ich Knobloch halblaut. „Eine Festnahme?“
„Es wird ein Statement geben“, murmelt er. Es wirkt beinahe so, als wollte er die Gebete von Schwester Gabriela nicht stören.
„Davon gehe ich aus. Waltensdorfer wird sich freuen. Und sein Freund Grünwald auch.“
Knobloch runzelt die Stirn. „Sehen Sie nicht, in welchem Zustand sie ist?“
„... gebenedeit unter den Frauen und gebenedeit ist die ...“, murmelt die Nonne, die vor gar nicht so langer Zeit noch äußerst geistvoll am jenseitigen Konzept gezweifelt hat. Zumindest mir gegenüber.
„Weil Sie sie abgeholt haben. Das muss doch zu viel für sie sein!“, fauche ich den Chefinspektor an.
„Ihre eigenen Mitschwestern haben angerufen.“
„Sie hat gestanden?“, will ich wissen.
„Sie ist abgetaucht in eine andere Welt“, antwortet Knobloch.
„Sie können sie doch in diesem Zustand nicht in U-Haft flüstere ich.
„Nein“, flüstert Knobloch zurück und gibt den Befehl zum Abfahren. Die Autos starten, auf dem Wagen, in dem die Nonne sitzt, wird das Blaulicht ausgeschaltet. Kein Alarmzeichen mehr notwendig. Ich stehe mit offenem Mund da und merke viel zu spät, dass ich den Fotoapparat noch in der Hand halte.
Gerade bevor die Klostertür ins Schloss fällt, springe ich hin, öffne sie. Die beiden Nonnen sehen mich erschrocken an.
„Ich hab mit Schwester Gabriela gesprochen. Gestern. Und auch schon früher. Ich bin die, die dabei war, als sie Schwester Cordula in der Sauna gefunden hat. Was ist mit ihr geschehen?“
Die beiden schütteln den Kopf. Jenseits der sechzig sind sie jedenfalls. Jetzt ist ihnen nicht nur der Nachwuchs, sondern auch noch die Leiterin abhandengekommen.
„Wissen Sie, wohin die Polizei Schwester Gabriela bringt?“, insistiere ich.
Die Dünnere schüttelt wieder den Kopf, die mit mehr Blut in den Wangen sieht mich an und sagt: „Auf die Neurologie. Hat der Inspektor wenigstens gesagt.“
„Was ist mit ihr los?“
Jetzt schütteln wieder beide den Kopf. „Sie betet“, antwortet die Dünne.
Mein Blick fällt auf den Spruch neben der heiligen Hildegard. „ Disce et servi “. „Das
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